Schon 300 000 Jahre Homo sapiens
In Marokko gefundene Überreste von Menschen sind weit älter als bisherige Funde. Von Stefan Parsch
Während die frühesten Funde von modernen Menschen bislang 200 000 Jahre alt waren, beschreibt ein internationales Forscherteam Fossilien aus Marokko, die 100 000 Jahre älter sind. Die 300 000 Jahre alten Knochenfragmente geben Einblick in die Entstehung und Entwicklung des Homo sapiens. Das berichten die Wissenschaftler um Jean-Jacques Hublin vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie im Fachblatt »Nature«. Experten, die an der Studie nicht beteiligt waren, sprechen von einer Sensation. Als bislang ältester Beleg für den Homo sapiens galten Funde aus Omo Kibish in Äthiopien, die 195 000 Jahre alt sind.
Die neuen Erkenntnisse lassen nun auch umstrittene frühere Fossilien in neuem Licht erscheinen: So rechnen die Forscher ein etwa 260 000 Jahre altes Schädelfragment aus Florisbad in Südafrika nun ebenfalls dem Homo sapiens zu. »Wir dachten lange Zeit, dass die Wiege der Menschheit vor etwa 200 000 Jahren irgendwo in Ostafrika lag«, erläutert Hublin. »Unsere Daten zeigen aber, dass sich Homo sapiens bereits vor etwa 300 000 Jahren über den gesamten Kontinent ausgebreitet hat.«
In Jebel Irhoud, etwa 100 Kilometer nordwestlich von Marrakesch, fanden die Forscher insgesamt 22 versteinerte Überreste von Knochen, Schädeln, Kiefern und Zähnen, die von mindestens fünf Menschen stammen. Insbesondere die Schädelfragmente untersuchten Hublin und Kollegen akribisch.
Die Erkenntnisse gehen weit über die zeitliche Einordnung hinaus: Das Gesicht des frühen Homo sapiens war demnach damals schon voll ausgeprägt. Dagegen ist der Hinterkopf deutlich länger und ähnelt eher älteren Vertretern der Gattung Homo. »Das bedeutet, dass sich die Form der Gesichtsknochen bereits zu Beginn der Evolution unserer Art entwickelt hat«, folgert Ko-Autor Philipp Gunz. Dagegen hätten sich die Form des Gehirns und womöglich auch seine Funktion erst innerhalb der späteren Entwicklung verändert.
Bei den Grabungen fanden die Forscher auch reichlich Tierknochen, etwa von Gazellen, und Werkzeuge, die bei der Datierung der Funde halfen.
In einem »Nature«-Kommentar schreiben Chris Stringer und Julia Galway-Witham vom Natural History Museum in London: »Wir stimmen mit Hublin und Kollegen überein, dass die Jebel-Irhoud-Fossilien nun die am besten datierten Beweise für eine frühe ›vormoderne‹ Phase in der Evolution des Homo sapiens darstellen.« Allerdings gebe es zu wenige Fossilien, um nachzuweisen, dass sich der moderne Mensch tatsächlich schon vor über 250 000 Jahren in ganz Afrika verbreitet habe. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.