Elektrisch übers Wasser

Auch für Schiffe gibt es Alternativen zum Verbrennungsmotor. Von Dierk Jensen

  • Dierk Jensen
  • Lesedauer: 5 Min.

Was haben die Peaks Islands vor der Küste des US-Bundesstaat Maine, die kroatische Halbinsel Pelješac und das nordfriesische Eiland Pellworm mit den meisten anderen Inseln gemeinsam? Alle werden noch mit Fähren angefahren, deren Dieselmotoren ziemlich dreckigen Schiffsdiesel verbrennen. Was nicht nur die empfindlichen marinen Ökosysteme mit hohen Abgasemissionen belastet, sondern schlecht fürs Klima ist.

Dass es anders geht, demonstriert die Fähre »Ampere« im norwegischen Sognefjord schon seit gut zwei Jahren. Es ist die erste vollständig elektrisch betriebene Großfähre weltweit. Sie legt täglich 34 Mal eine sechs Kilometer lange Strecke zurück. »Wir haben uns mit der Werft Fjellstrand und dem Fährenbetreiber Norled zusammengesetzt«, erzählt Siemens-Ingenieur Odd Moen. Herausgekommen ist ein Konzept, das nun »flüsterleise und völlig emissionslos« unterwegs ist. Angetrieben wird das 80 Meter lange Schiff, das maximal 120 Autos und 360 Passagiere transportieren kann, von zwei Elektromotoren mit je 450 Kilowatt Leistung, die ihre Energie aus Lithium-Ionen-Akkus mit einer Kapazität von insgesamt 1000 Kilowattstunden (kWh) beziehen.

Neu sind Elektrofähren eigentlich nicht. Siemens baute schon vor mehr als 100 Jahren erste elektrisch betriebene Fahrgastschiffe. So verkehrten auf dem Königssee seit 1909 elektrisch angetriebene Ausflugsschiffe und in Strausberg transportiert seit 1915 die Strausseefähre Ausflügler bis heute mit einer elektrischen Oberleitung über den See. Auch an Neckar, Rhein und in den USA gab und gibt es kleinere elektrische Autofähren. Die Idee hat also eine lange Geschichte; dennoch schaffte es dieser Antriebstyp nicht aus der Nische. Das hatte viele Gründe: Es fehlte an Reichweite, an effizienten Batterien und vor allem: Die Preise für schwefelhaltigen Schiffsdiesel waren und sind im Vergleich niedrig. Doch soll sich das schon bald ändern.

Der maritime Koordinator der Bundesregierung Uwe Beckmeyer erklärte kürzlich auf der Maritimen Konferenz in Hamburg, dass »die maritime Energiewende ein wesentlicher Baustein der Industriepolitik« sei. »Wir wollen Anreize schaffen, damit die Unternehmen verstärkt in Forschung und Entwicklung investieren. Die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie beschreibt den Handlungsbedarf. Die dort formulierten Ziele werden in zahlreichen Förderprogrammen und Pilotprojekten umgesetzt, etwa zu LNG-Antrieben ( mit verflüssigtem Erdgas - d. Red.) oder dezentraler Energieversorgung auf Schiffen. Ganz aktuell hat das Wirtschaftsministerium die neue Förderinitiative ›Energiewende im Verkehr‹ veröffentlicht und auch in unserem maritimen Forschungsprogramm ist Green Shipping künftig eines von vier zentralen Querschnittsthemen«, sagte Beckmeyer.

Die Ziele sind also hehr, doch ist es noch ein langer Weg, bis die Fähren nach Pemba, Pellworm und den Peaks Islands tatsächlich elektrisch fahren. Dabei gäbe es schon heute viel Potenzial insbesondere bei Fähren für kurze Strecken, meint Reinhard Lüken, Hauptgeschäftsführer vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik. Zwar sei der Markt für solche E-Fähren noch relativ klein, doch ist Lüken davon überzeugt, »dass sich für die Betreiber der Fährlinien die Elektrifizierung ökonomisch abbilden lässt«. Zumal der öffentliche Druck auf neue, umweltfreundlichere Antriebe auch in der Schifffahrt deutlich zugenommen habe, so Lüken weiter. Das sieht Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands eMobilität, ähnlich: »Elektromobilität ist nicht auf vier Räder beschränkt. Auch wenn das Elektroauto omnipräsent zu sein scheint, findet Elektromobilität auch abseits von Straße und Schiene statt. Neben elektrischen Seilbahnen, die vermehrt in verstopften Innenstädten zum Einsatz kommen, spielen Elektromotoren auch auf den Wasserwegen eine wachsende Rolle. Insbesondere im Fährbereich kommen bereits heute an unterschiedlichen Standorten erfolgreich Elektrofähren zum Einsatz.«

Wie beispielsweise auf dem Eutiner See, der unmittelbar neben der gleichnamigen schleswig-holsteinischen Kleinstadt liegt. Während der letztjährigen Landesgartenschau fuhr dort ein Shuttle, genauer gesagt ein E-Fahrgastschiff - so die korrekte Begrifflichkeit für einen Schifftyp, der nur Personen und keine Fahrzeuge befördert - auf dem See lautlos umher. Den elektrischen Antrieb mit Elektromotoren und Speichermodulen hat der Betreiber Eutiner Seerundfahrt auf dem aus Aluminium gefertigten Schiffsrumpf selbst konzipiert und installiert. Den Strom für die E-Motoren, die eine tägliche Strecke von 200 Kilometern zu bewältigen haben, lieferten Batterien, die über Nacht geladen wurden.

Während es sich im Fall Eutin um ein Fahrgastschiff Marke Eigenbau handelt, geht es in Stralsund bei der Firma Ostseestaal um Serienproduktion. »Die Nachfrage nach elektrischen Fahrgastschiffen, aber auch E-Fähren wächst«, versichert der Vertriebschef des Unternehmens Ingo Schillinger. Sechs elektrisch angetriebene Fahrgastschiffe von Ostseestaal sind schon auf verschiedenen Binnengewässern in Betrieb, drei weitere sind zurzeit in Bau. Hinzukommt eine vollelektrische Autofähre, die im Herbst fertiggestellt sein soll. Sie soll auf der Mosel zwischen dem rheinland-pfälzischen Oberbillig und der luxemburgischen Gemeinde Unterbillig verkehren. Sie bezieht ihren Strom zum einen von bordeigenen Solarzellen, zum anderen von der Bordbatterie. »Damit werden jährlich rund 14 000 Liter Diesel eingespart und zusätzlich die Abgas- und Lärmimmissionen deutlich reduziert«, freut sich Andreas Beiling, Bürgermeister von Oberbillig.

Unterdessen beabsichtigt der Hersteller Ostseestaal eine kontinuierliche Ausweitung seiner Leichtbau-Schiffproduktion. »Wir wollen in Zukunft bis zu zehn elektro-solarbetriebene Schiffe pro Jahr bauen«, sagt Schillinger. Und dies nicht nur in Deutschland, sondern auch in Holland, Italien und Frankreich. Stellvertretend für viele Nachahmer hat die Grachten-Stadt Amsterdam bereits beschlossen, dass alle dieselbetriebenen Fahrgastschiffe und Fähren spätestens 2020 aus dem Stadtgebiet verbannt sein sollen. Sicherlich ein wichtiges Signal für eine Verkehrswende, die eben nicht nur an Land, sondern auch auf dem Wasser gestaltet sein will.

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