Teigtaschen
Sie ist das Herzstück fast jeder Küche weltweit - in Berlin bekommt man sie in allen erdenklichen Variationen
Sie ist das Herzstück fast jeder Küche weltweit: Die Teigtasche. Pelmeni, Wareniki, Tortellini, Ravioli, Empanadas, Samosa, Maultaschen oder Dumplings, wie die chinesische Variante genannt wird. Die Befüllung dieser zu einem Beutel zusammengehefteten Fladen ist eine hochsensible Sache.
Die Maultasche, wenn man sich einmal vorstellt, kein Deutsch zu verstehen, drückt schon phonetisch aus, was drin ist: Muttis ganze Liebe. Und die geriert sich in kleinsten Abweichungen vom Längen- und Breitengrad sehr unterschiedlich. Egal, ob in Brühe, in Butter mit Zwiebeln angebraten oder geröstet, ist das Schönste an ihnen das genüssliche Zerbeißen der seidig weichen, manchmal glitschigen äußeren Haut, um dann ins Innerste vorzustoßen: zu dem mal würzig - mit Schnittlauch- oder Muskatnote -, mal schlicht und fettig gehaltenen Klops aus Rind- oder Lammfleisch. Varianten mit Pfifferling-, Sauerkraut- oder Spinatfüllung fügen dem Geschmacksbömbchen, das da im Mund hochgeht, keinen Schaden zu.
Irgendwann hat der Teigtaschenliebhaber alles durch - mehrfach. In Berlin ist das kein Problem. Der Gaumen, der der Teigtasche verfallen ist, verlangt nach mehr. Die zahllosen schwäbischen Rezeptkreationen reichen nicht, um das Verlangen zu befriedigen. Jedes russische Restaurant zwischen Marzahn und Spandau ist bereits ausprobiert.
Bei Ravioli wurde in allerfinstersten Zeiten sogar zur Dose gegriffen. Die Abhängigkeit gleicht der eines Drogensüchtigen: Alles, was der Markt hergibt, wird konsumiert. Aber wie jede Sucht, die sich gerade so kontrollieren lässt, steigert sich der Anspruch mit der Zeit ins Unermessliche. Und schließlich landet man in der »Yumcha Heroes Manufaktur« in der Dunckerstraße in Prenzlauer Berg, einem Dim-Sum-Laden (Chinesisch für Imbiss), in dem es ausschließlich Dumplings gibt, betrieben vom Süddeutschen Axel Burbacher und dem Südchinesen Guan Guanfeng, der für die Küche verantwortlich ist.
Hier sitzt man nicht auf goldenen Stühlen, mit rotem Frottee bespannt, zwischen Drachenposter und Aquarium. In der Manufaktur herrscht Industriecharme. Schlachthofkacheln und Glühbirnen, die in der Fassung von der Decke hängen, passen vom Ambiente zwar eher nach Mitte, aber in Prenzlauer Berg hat man mit den Wildblumengesteck-Restaurants eh langsam die Faxen dicke und freut sich über stilistische Reduktion. Die Teigbeutel werden in Bambuskörben serviert. Als Erstes kommen die »Black Beef«, kein Einsteigermodell für Leute, die mal probieren wollen, sondern welche, die die Tür in eine andere Teigtaschendimension aufstoßen. Das Rindfleisch, gewürzt mit Sellerie, Lauchzwiebel, Ingwer und Szechuan-Pfeffer. Alles lässt sich einzeln erschmecken. Keine verkochte, staubtrockene Hackfleischpampe wie in anderen Dim-Sums schon erlebt. Geschmacklich danach kommen »Pink Lamp« und »Green Veggie« mit Glasnudelfüllung. Unumwunden: Pelmeni sind und bleiben, woran das Teigtaschenherz hängt, Yumcha-Heroes-Dumplings sind der Tresenflirt an einem Sommerabend.
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