Heute hier, morgen fort
Hannes Wader wird 75 - und nimmt Abschied von der Bühne
Die Konzerte in Krefeld, Nienburg, Elmshorn, Northeim und Hofgeismar sind bereits ausverkauft. Karten gibt es noch für Schorndorf, Bad Bergzabern, Idar-Oberstein, Husum, Helmstedt und sieben weitere Orte in der altbundesrepublikanischen Provinz. Mit Salzwedel - allerdings beinahe noch im Zonenrandgebiet gelegen - befindet sich auch ein sachsen-anhaltinisches Städtchen auf der Route, die Hannes Wader im Herbst bereist. Erst der Schlusspunkt seiner Tournee führt ihn dann endlich weiter in den Osten - und in eine Großstadt. Am 30. November spielt der linke Liedermacher, der an diesem Freitag 75 Jahre alt wird, im Berliner »Tempodrom«. Es soll das letzte Konzert sein, das er je gibt.
Dass er sich nach 50 Jahren als reisender Musiker von der Bühne verabschieden wolle, hatte Wader bereits im Januar bekannt gegeben. Unter dem Titel »Macht’s gut!« sollte es eine Tournee in zwei Teilen geben, die im April 2018 enden würde. Dann aber haben ihm die diesjährigen Winterkonzerte offenbar mehr zugesetzt als erwartet. Deutlicher als zuvor, schrieb er auf seiner Homepage, spüre er nun das Älterwerden: »Die gewohnte Bühnenperformance zu liefern, fordert mir zunehmend mehr Kraft ab, während ich gleichzeitig weniger Reserven zur Verfügung habe.« Mithin: Das Ende musste vorverlegt werden.
Es soll aber auf Waders Wunsch ein Ende werden, das den Bogen zum Anfang schließt: Im Westteil Berlins hatte der ungestüme Jüngling Mitte der 60er Jahre begonnen, eigene Lieder zu schreiben und zu singen. Und hier hatte er seinen Freund Reinhard Mey kennengelernt, der mit ihm in den folgenden Jahrzehnten durch dick und dünn gehen würde. Nach seinem Durchbruch auf dem Chanson-Festival auf der Burg Waldeck im Jahre 1966 war Wader schlagartig zur gefeierten neuen Stimme in der Liedermacherszene aufgestiegen. Zum medialen Verhängnis wurde ihm fünf Jahre später, dass er seine Hamburger Wohnung wohl unwissentlich der RAF-Frau Gudrun Ensslin überlassen hatte. 1977 war es dann Waders Eintritt in die DKP, deren Mitglied er bis 1991 blieb, der ihm den Zugang zu Sendern und Bühnen versperrte.
Natürlich war Wader, als Kind einer Arbeiterfamilie in Bielefeld geboren, ein politischer Sänger. Traditionelle Arbeiterlieder gehörten lange Jahre genauso zu seinem Repertoire wie eigene Stücke, in denen er das Elend der sogenannten kleinen Leute besang und seine Stimme gegen Ausbeutung und Krieg erhob. Daneben machte er, der sich immer zu Georges Brassens und Bob Dylan als seinen Vorbildern bekannte, aber auch nie einen Hehl aus seiner Liebe zum Volkslied, das er mit seinen Shantys und Folksongs, mit platt- und niederdeutschen Liedern in Teilen der Linken erst wieder salonfähig machte.
Die drei Kräfte, die bei Wader einander nicht ausschließen, sondern bedingen, fangen allesamt mit dem Buchstaben an, mit dem das Alphabet endet: Zorn, Zärtlichkeit, Zweifel. Während der Zorn nur noch punktuell aufblitzt und sich die Zärtlichkeit weiter ihre Wege bahnt, scheint es der Zweifel zu sein, der Wader in den letzten drei Jahrzehnten am heftigsten zeichnete. Mit dem Ende der Sowjetunion brach für ihn nicht nur eine historische Epoche zusammen, sondern auch eine bis dahin »felsenfeste« Säule seiner Persönlichkeit, die damit verbunden war. In Rudi Gauls filmischem Doppelporträt »Wader Wecker Vater Land« (2012) ist der politisch-biografische Bruch physisch zu spüren. Waders gemeinsame Sommertourneen mit Konstantin Wecker (2000, 2001 und 2010) haben in diesem Film und im Live-Album »Was für eine Nacht« ihre Denkmäler gefunden.
Das Bewusstsein der Vergänglichkeit scheint auch in früheren Liedern Waders auf. »Große Ziele, Träume«, sang er schon 1985, »alles liegt so weit zurück/ Vertane Zeit, verpasste Chancen und oft unverdientes Glück/ Zuviel von dem, was ich mir wünschte, habe ich niemals erreicht/ Und meine Lieder klingen nicht mehr so wie damals, frei und leicht./ Heute singe ich um mein Leben.« Wem Lieder nicht lediglich ein Vergnügen, sondern ein Lebensmittel sind wie ihm, der wird auch weiterhin singen. Und sei es abseits der Bühne, fern der Städte, ohne das große Publikum.
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