Bundestag stimmt mit großer Mehrheit für Ehe für Alle

393 Ja-Stimmen, 226 Nein-Stimmen / Konservative Abgeordnete könnten vor das Bundesverfassungsgericht ziehen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der Bundestag hat nach einer kurzen aber emotionalen Debatte über die Ehe für Alle abgestimmt. Mit 393 Ja-Stimmen und 226 Nein-Stimmen stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten für die gleichgeschlechtliche Ehe. Auch rund ein Viertel der Abgeordneten von CDU/CSU (23 Prozent) stimmte dafür die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen.

Zuvor hatte eine Mehrheit der Abgeordneten gegen den erklärten Willen der Unionsfraktion dafür votiert, die Tagesordnung entsprechend zu erweitern. Abgestimmt wurde über den Gesetzentwurfs aus Rheinland-Pfalz, der vorher schon vom Bundesrat verabschiedet worden war.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Wochenanfang erklärt der völligen rechtlichen Gleichstellung homosexueller Paare nicht mehr im Weg stehen zu wollen und sich für eine Abstimmung ohne sogenannten Fraktionszwang ausgesprochen. Daraufhin hatte sich die SPD für eine Abstimmung noch in dieser Woche und vor der Bundestagswahl stark gemacht. CDU und CSU sehen darin einen Vertrauensbruch des sozialdemokratischen Koalitionspartners. Angela Merkel erklärte im Fernsehsender Phönix, sie habe gegen die Ehe für Alle gestimmt, habe die Abstimmung aber zur Wahrung des gesellschaftlichen Friedens zugelassen.

Grüne und Linke unterstützen die Ehe für alle schon lange. An einer Mehrheit dafür im Bundestag wird kaum gezweifelt, zumal auch Unionsabgeordnete zustimmen wollen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) forderte von den Abgeordneten vor der Debatte »wechselseitigen Respekt, den beide Positionen zweifellos verdienen«.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnete die Abstimmung »historisch«. »Wir schaffen ein Stück weit Normalität in unserem Land«, sagte er bei der Debatte über das Gesetz. Bartsch forderte alle Abgeordneten auf, »für Würde, für Gleichheit und für die Liebe abzustimmen«.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt hat in der Debatte um die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare den »unbeirrbaren« Einsatz ihres Parteikollegen Volker Beck für dieses Thema gewürdigt. Die Ehe für alle »ist dein Lebenswerk«, sagte Görting-Eckardt am Freitag zu Beck. Der homosexuelle Politiker scheidet nach dieser Legislaturperiode aus dem Bundestag aus. Er zeigte sich bei seiner letzten Rede vor dem Bundestag sichtlich bewegt und erhielt stehenden Applaus der Grünen-Fraktion.

Bislang dürfen Homosexuelle eine Lebenspartnerschaft amtlich eintragen lassen, aber nicht heiraten. Der wichtigste Unterschied ist, dass Lebenspartner gemeinsam keine Kinder adoptieren dürfen. Eine Mehrheit der Deutschen unterstützt laut einer Umfrage die Einführung der Ehe für alle. Auch die Mehrheit der Unterstützer der Union gab das an.

Das Nein zur Ehe für Homosexuelle gilt als letzte konservative Bastion der Union. Unter Merkel als Parteivorsitzender hat die CDU schon mehrere Positionen geräumt, für die es in der Gesellschaft keine Mehrheit mehr gab wie das Festhalten an der Atomenergie und der Wehrpflicht.

Sollte eine Mehrheit im Plenum für die Reform stimmen, wäre der Streit damit aber noch nicht vom Tisch: Unions-Abgeordnete prüfen eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Ehe für alle sei grundgesetzwidrig und bedürfe einer Verfassungsänderung, sagte der Justiziar der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, der »Passauer Neuen Presse« (Freitag). »Das Bundesverfassungsgericht knüpft die Ehe an zwei Bedingungen«, sagte der CSU-Politiker: »Sie ist eine dauerhafte Verantwortungsgemeinschaft. Und sie ist darauf ausgerichtet, Kinder hervorzubringen. Das geht nur mit Mann und Frau.«

Justizminister Heiko Maas hält eine Grundgesetzänderung hingegen für unnötig. »Wir sehen einen Wandel des traditionellen Eheverständnisses, der angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung der Ehe für alle verfassungsrechtlich zulässt«, sagte der SPD-Politiker der »Bild«-Zeitung (Freitag). »Die Zeit ist längst mehr als reif für diesen Fortschritt.« nd/Agenturen

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