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Grausamer Krieg, üppige Tierwelt

In den Wäldern der Karen im Norden Myanmars erwies sich der Dauerkonflikt als unfreiwilliges Artenschutzprogramm

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Tiger, Elefanten, Leoparden - diese Tiere gelten weithin als stark gefährdete Arten. Durch den Dschungel im Karen-Staat hingegen streifen Großkatzen, Dickhäuter und viele andere Tiere, denen anderswo das Überleben immer schwerer gemacht wird, noch in verhältnismäßig großer Zahl durch die freie Natur. Der Karen-Staat liegt im Westen von Myanmar an der Grenze zu Thailand. Für die Karen war wegen des jahrzehntelangen Bürgerkriegs das Leben so schwer und gefährlich, dass viele nach Thailand geflohen sind, wo mehr als 120 000 von ihnen in Lagern leben. Eben dieser Krieg aber hat für Tiger und Elefanten als unfreiwilliges Schutzprogramm gewirkt.

»Eine so große und vielfältige Tierwelt ist in der Welt, auf jeden Fall aber in Südostasien, unglaublich selten geworden«, konstatiert Claire Campbell. Die Australierin ist Direktorin der Organisation Wildlife Asia, die zusammen mit der Karen Wildlife Conservation Initiative (KWCI) eine umfangreiche Bestandsaufnahme der Tierwelt in den Bergwäldern im nördlichen, von der Karen National Union (KNU) kontrollierten Teil des Karen Staats durchgeführt hat. »Es gibt dort eine gesunde Leopardenpopulation, die sich fortpflanzt und ausreichend Beutetiere vorfindet«, sagt Campbell.

Die vom WWF und anderen finanzierte Studie wurde in der internationalen Fachzeitschrift »Oryx« veröffentlicht. Die Experten hatten dafür im wahrsten Sinne des Wortes Neuland betreten. Wegen des Bürgerkriegs zwischen der Armee und der für Autonomie kämpfenden KNU waren die Wälder für Biologen und Tierschützer lange absolut tabu. Erst ein Waffenstillstandsabkommen machte zwischen Dezember 2014 und Juli 2015 die Untersuchung in vier Gebieten möglich. Neben Tigern und Elefanten wurden ansehnliche Bestände anderer Spezies wie Sonnenbären, Asiatische Goldkatzen und Asiatische Wildhunde entdeckt.

Studienleiter Saw Sha Bwe Moo von der KWCI kennt außer dem Krieg noch einen anderen Grund für die Artenvielfalt: »Das Volk der Karen hat eine komplexe Kenntnis der Wälder und der Tierwelt und ist damit direkt mit für die üppige Tierwelt in dieser Region verantwortlich.«

Längst sind die Zustände für wilde Tiere nicht mehr so paradiesisch. Im Zuge des Friedensprozesses setzte in Myanmar und auch im Karen-Staat eine rasante wirtschaftliche Entwicklung ein, begrüßt auch von den bitterarmen Karen und anderen ethnischen Minderheiten des Landes.

Wohin eine ungestüme Wirtschaftsentwicklung aber führt, konnte in den letzen Jahrzehnten in anderen Ländern Südostasiens wie Thailand oder Indonesien beobachtet werden: Für Plantagen, Fabriken, Straßen, wachsende Städte werden Wälder abgeholzt, verlieren Tiere ihren Lebensraum.

Das geschieht auch in Myanmar, das laut einer FAO-Studie zu den Wäldern der Welt (2015) nach Indonesien und Brasilien die drittgrößte Entwaldungsrate der Welt aufweist. Hinzu kommt die Wilderei, die, so die Warnung des WWF, bereits eine »kritische Stufe« erreicht hat. Auf den 10 000 Stunden umfassenden Aufzeichnungen der Kamerafallen in den Wäldern der Karen waren auch immer wieder Wilderergruppen zu sehen.

So ist die Gegend nicht das letzte Paradies. Von Urbanisierung und Straßenbau durch Investoren blieben die durch den Bürgerkrieg weitgehend isolierten Regionen zwar verschont. Aber die diversen Bürgerkriegsparteien finanzieren durch den Handel mit illegal geschlagenem Holz, Tierprodukten wie Elfenbein oder Leopardenfellen, Tigerpenissen oder Bärenklauen für die chinesische Medizin neben dem einträglichen Geschäft mit Drogen, Jade, Saphiren und Rubinen ihre Waffenkäufe und den Sold der Milizionäre.

»Die illegalen Wildtiermärkte in den Städten von Myanmar und entlang der Grenze müssen geschlossen werden«, fordert Nick Cox. Der Artenschutzexperte des WWF Myanmar fügt hinzu: »An der Basis werden gut ausgebildete Ranger benötigt, wenn Myanmar seine unglaubliche Artenvielfalt bewahren will.«

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