Für Vietnam eine Sache des Ansehens
Premier Nguyen Xuan Phuc vertritt bei den G20 in Hamburg die APEC / Unterstützung gegen China gesucht
Die Sozialistische Republik Vietnam gehört nicht zu den G20, dennoch reist der Ministerpräsident nach Hamburg: Sein Land repräsentiert die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft (APEC). In Vietnam wird diese Teilnahme auch als Bestätigung für das internationale Ansehen des Staates gewertet.
Nach der Bevölkerungszahl übertrifft das südostasiatische Land manchen G20-Staat ohnehin erheblich: Gut 93 Millionen Einwohner hat Vietnam heute - doppelt so viele wie bei Ende des Vietnamkrieges 1975. Inzwischen hält auch das Wirtschaftswachstum jedem Vergleich stand.
Das Bruttoinlandsprodukt wuchs in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich um über sechs Prozent. Von ganzen 730 US-Dollar pro Kopf der Bevölkerung im Jahre 2007 stieg es auf nominell 2445 Dollar pro Kopf im vergangenen Jahr. Der 12. Parteitag der allein regierenden Kommunistischen Partei gab im Januar 2016 das Ziel vor, diese Kennzahl bis 2020 auf mehr als 3200 Dollar zu steigern.
Der 62-jährige Nguyen Xuan Phuc steht erst seit April vergangenen Jahres an der Regierungsspitze. Nach dem ersten Halbjahr 2017 folgerte er auf einer Kabinettsitzung zu Wochenbeginn, man müsse sich mehr Mühe bei der Erfüllung der sozialwirtschaftlichen Ziele geben: Zwar sei das Bruttoinlandsprodukt bis Ende Juni um 5,7 Prozent gewachsen, angestrebt und immer noch möglich seien jedoch 6,7 Prozent.
Solche ehrgeizigen Vorgaben sind ohne gute internationale Wirtschafts- und Handelsbeziehungen kaum zu erfüllen. Vietnams Führung setzt daher in erheblichem Maße auf ausländische Investitionen und auf Freihandelsabkommen. Deren Kritikern begegnet man mit dem Hinweis auf Erfahrungen aus gut 30 Jahren Erneuerungspolitik (Doi Moi) auf dem Wege einer sozialistisch orientierten Marktwirtschaft.
So warb Phuc vor der Teilnahme am Hamburger Treffen bei einem Arbeitsbesuch in Berlin für die baldige Ratifizierung des ausgehandelten Freihandelsabkommens mit der EU. Überdies erwartet Vietnam weitere deutsche Unterstützung und Zusammenarbeit unter anderem bei der Berufsausbildung, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
Einen Rückschlag aus Hanoier Sicht bedeutete der Rückzug der USA vom Abkommen über die Transpazifische Partnerschaft (TPP), das erst im vergangenen Jahr von zwölf Staaten der Region unterzeichnet worden war. Die USA sind für Vietnam der wichtigste Exportmarkt. Premier Phuc ließ sich deshalb bei einem Besuch im Mai von Präsident Donald Trump versichern, dass die wirtschaftlichen Beziehungen dennoch »im gegenseitigen Interesse« entwickelt werden.
Kein Hehl macht man in Vietnam daraus, dass diese Beziehungen zum einstigen Kriegsgegner - wie die zu Japan, wo der Regierungschef jüngst ebenfalls zu Gast war - nicht zuletzt dazu dienen, die wirtschaftliche Abhängigkeit »von einem bestimmten Land« zu reduzieren. Gemeint ist der große Nachbar China.
Nicht nur um Wirtschaftsfragen ging es in Phucs Gesprächen in Washington und Tokio, sondern auch um engere Zusammenarbeit bei Verteidigung und Sicherheit. Hanoi wirbt um Beistand im Konflikt mit China um Inseln und Seegebiete im Südchinesischen Meer, das in Vietnam »Ostmeer« heißt. Auch von Deutschland wird hier politische Unterstützung erwartet, ebenso brächte man das Thema wohl gerne beim G20-Treffen zur Sprache.
Dagegen besteht Peking, wo alle Versuche einer Internationalisierung des Streits auf Ablehnung stoßen, auf bilateralen Lösungen. Derweil aber baut die Volksrepublik China ihre Präsenz in den umstrittenen Gebieten zum Ärger anderer Anrainerstaaten aus.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.