Schulz verteidigt seinen Zukunftsplan
SPD-Chef: Finanzierung von Investitionsverpflichtung per Überschüssen möglich / Merkel zweifelt / Linkspartei fordert Vermögensteuer
Berlin. Der sogenannte Zukunftsplan von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ist bei den anderen Parteien auf Kritik gestoßen. Kein Wunder, es ist Wahlkampf. Doch der Chef der Sozialdemokraten verteidigt seine Initiative. Im ZDF betonte er vor allem die Finanzierbarkeit seiner Pläne, diese war bestritten worden.
Sein am Sonntag vorgestellter Zehn-Punkte-Plan soll das vor drei Wochen verabschiedete Wahlprogramm der Partei ergänzen. Einer der Punkte sieht eine Investitionsverpflichtung für den Staat vor. Damit soll in den nächsten Jahren mehr Geld in die Sanierung von Schulen und Hochschulen fließen, aber auch in schnelle Internetverbindungen, Straßen und Schienen sowie den Ausbau erneuerbarer Energien. »Neben der Schuldenbremse brauchen wir eine Mindestdrehzahl für Investitionen«, forderte Schulz.
Die Investitionsverpflichtung solle durch Einnahmeüberschüsse finanziert werden, sagte Schulz in dem Interview. Bund, Länder und Gemeinden hätten zusammen 56 Milliarden Euro Überschüsse. Die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, bezweifelte in der ARD generell die Notwendigkeit einer solchen Investitionsverpflichtung. Das Hauptproblem sei nicht fehlendes Geld, sondern zu langsame Planung. »Wir können zurzeit das Geld, was wir haben, nicht ausgeben«, erklärte sie. Deshalb setze die Union darauf, die Planungsverfahren zu beschleunigen und für vorrangige Projekte die Zahl der Klageinstanzen zu verringern. Schulz entgegnete: »Wenn es den Schulen ins Dach 'reinregnet oder die Kinder nicht zur Toilette gehen können, dann brauchen Sie kein Planungsverfahren, dann brauchen Sie Handwerker.«
Der Präsident des Münchener ifo-Instituts, Clemens Fuest, nannte den Vorschlag von Schulz überflüssig. »Oft sind wir schon an dem Punkt angelangt, dass das Geld nicht mehr ausgegeben werden kann, weil es an sinnvollen Projekten fehlt«, sagte der Wirtschaftsforscher dem »Handelsblatt«. »Es hilft niemandem, öffentliche Investitionen wie mit der Schrotflinte zu steigern.«
Andere CDU-Politiker hatten Schulz am Sonntag bereits vorgeworfen, nichts zur Finanzierung seines Maßnahmepakets gesagt zu haben. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) kritisierte den »Zukunftsplan« als unfinanzierbar. »Investitionsoffensive, Chancenkonto, höhere Rentenzuschüsse, Ausbau der Ganztagsbetreuung - ich hätte gern von der SPD mal vorgerechnet, was das alles kostet und wer das bezahlen soll«, sagte Fuchs der »Rheinischen Post«.
Der FDP-Wirtschaftsexperte Michael Theurer bezifferte die Kosten des vorgeschlagenen staatlichen Guthabens für Bildung und berufliche Entwicklung jedes Bürgers auf mindestens 250 Milliarden Euro. Auch die Linkspartei äußerte Kritik - man finde Schulz' Vorschläge zwar gut, aber nicht durchfinanziert. Denn die SPD lehne eine Vermögensteuer ja ab, erklärte Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht.
Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir vermisste im Schulz-Plan Aussagen zum Klimaschutz. Özdemir kritisierte auch die Kanzlerin: »Für Merkel und ihre große Koalition gilt nicht anecken, während es anzupacken gilt«, erklärte er. Nötig sei es, den Kohleausstieg und einen ökologischen Umbau der Wirtschaft zu forcieren und mehr Chancengleichheit zu schaffen.
Mehr Gerechtigkeit will Schulz mit einem Pakt für anständige Löhne, der Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen und weniger prekären Beschäftigungsverhältnissen schaffen. Allen Erwerbstätigen soll zudem ein staatlich finanziertes und mit bis zu 20.000 Euro aufgefülltes »Chancenkonto« zustehen, dessen Guthaben sie für die Weiterbildung nutzen können.
Das Modell soll eine Antwort auf den digitalen Wandel in der Arbeitswelt sein, der lebenslanges Lernen erfordere. Erwachsene Erwerbstätige sollen mit dem Geld Einkommensausfälle bei Qualifizierung, Existenzgründung, Teilzeitphasen oder Auszeiten flexibel ausgleichen können. Dabei soll das »Chancenkonto« einen von Schulz im Frühjahr vorgestellten Vorschlag für ein neues Arbeitslosengeld Q (ALG Q, längerer Bezug bei Weiterqualifizierung) ergänzen. »Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen ein persönliches Chancenkonto erhalten, das mit einem staatlichen Startguthaben ausgestattet ist«, schreibt die SPD.
Zum Start könnte das Konto, das jeder Erwerbstätige über 18 erhalten soll, mit zum Beispiel 5.000 Euro gefüllt sein. Langfristig solle das Guthaben auf 15.000 bis 20.000 Euro steigen. Finanzierung und Gesamtkosten sind aber offen. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte in ihrem Strategiebuch »Arbeiten 4.0« dieses Projekt bereits angerissen, die Industrieländer-Organisation OECD befürwortet ebenfalls ein Erwerbskonto. In Frankreich wurde es Anfang des Jahres eingeführt. Agenturen/nd
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