Wasser-Wirrwarr, leere Kassen, leere Worte
Bremer Obdachlose wollen auf Geld verzichten, damit ein neuer Trinkbrunnen in der Stadt gebaut wird
Die Brunnenfrage gärt seit Jahren in Bremen, wird von Ressort zu Ressort weitergereicht. Es steht der Vorwurf im öffentlichen Raum, die Versorgung mit frei zugänglichem Trinkwasser in der Hansestadt läge unterhalb des Niveaus von Ländern, die Bremer Entwicklungshilfe bekämen. Und Aktivisten leiten aus dem anerkannten Menschenrecht auf Trinkwasser eine staatliche Verpflichtung für öffentliche Brunnen ab.
Die Stadt Bremen mit ihren über 600 000 Einwohnern betreibt 20 öffentliche Brunnen, davon fünf Trinkwasserbrunnen. Pro Jahr gibt sie laut Eigenauskunft dafür 150 000 Euro aus. Trinkwasser spenden die fünf Pferdebrunnen, die in der City und zentraleren Stadtteilen stehen. Der älteste existiert seit über 100 Jahren - die anderen sind Nachbauten. Der Wasserfluss ist so gestaltet, dass das frische Wasser nicht verunreinigt wird und mit der Hand geschöpft oder direkt aus dem Strahl getrunken werden kann. Außerdem gibt es freies Trinkwasser in zwei City-Kirchengemeinden und der Bahnhofsmission.
Verbal stehen viele Institutionen hinter der Forderung nach frei zugänglichem Trinkwasser im öffentlichen Raum: Parteien und Fraktionen, Senatsbehörden, Privatleute, Hilfsinitiativen. Doch geht es an die Umsetzung, so stellt sich heraus: Es sind zu viele Behörden involviert, zu viele Vorschriften liegen quer, in zu vielen Kassen ist Ebbe. Die Wasserfrage wird wie eine heiße Kartoffel von Behörde zu Behörde gereicht.
Im Frühjahr gab es nach Jahren der Vorbereitung ernüchternde Ergebnisse: Das von den Grünen geführte Umweltressort - zuständig auch für Bau, Verkehr, Stadtentwicklung, Energie und Landwirtschaft - sowie das SPD-geführte Gesundheits- und Verbraucherschutzressort beschlossen, sie hätten kein Geld für die Einrichtung neuer Trinkbrunnen. Und die Sponsorensuche sei erfolglos gewesen. Von der Bremer Immobilienverwaltung, dem Gesundheitsamt und dem hansestädtischen Wasserversorger kamen zwar Absichtserklärungen, privaten Brunnenprojekten zur Seite stehen zu wollen - jedoch mit Expertise, nicht mit barer Münze.
Beschlossen wurde, die Ressorts für Finanzen, Wirtschaft und Soziales sowie die eh schon aktiven Kirchengemeinden in zukünftige Gratis-Trinkwasser-Projekte einzubeziehen. Doch in der Praxis tat sich nichts, ein in einem kleinen Park hinter dem Bahnhof geplanter Brunnen steht noch immer nicht. Das private Projekt scheitert bisher daran, dass die Initiatoren nicht die laufenden Wasserkosten übernehmen können.
Wie der Bremer »Weser-Kurier« berichtet, haben nun sogar Wohnungslose eigens Abtrittserklärungen für das ihnen zustehende Wassergeld des Sozialamtes unterschrieben, um die Behörde zur Übernahme der Wasserkosten für »ihren« neuen Brunnen zu bewegen. Doch das lehnt die Behörde als unmöglich ab. Bernd Schneider, Sprecher der grünen Sozialsenatorin Anja Stahmann, erklärt auf »nd«-Nachfrage, viele Wohnungslose bezögen Hilfe nach dem Sozialgesetzbuch, wie andere Menschen auch. Weil sie aber keine Wohnung hätten, bekämen sie nur den Anteil für den Lebensunterhalt, nicht den für Unterkunft. Letzterem seien aber die Wasserkosten zugeordnet. Als Schlussfolgerung seien da keine Ansprüche, die abgetreten werden können. Wasser gehört also nicht zum Lebensunterhalt? Schneider hinterfragt das nicht, erklärt aber, die Brunnen gehörten ins Bau-Ressort und damit läge dort die finanzielle Verantwortung.
Allerdings kommt kurz darauf noch ein Statement Schneiders. Die Senatorin, so heißt es nun, sehe den geplanten Brunnen grundsätzlich als sinnvoll an. Deshalb werde nun geprüft, ob und wie sich die laufenden Wasserkosten finanzieren ließen. »Investive Kosten« könnten allerdings nicht übernommen werden.
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