Reporter ohne Grenzen: »Cumhuriyet«-Prozess »hanebüchen«

Verfahren gegen 17 inhaftierte Journalisten der regierungskritischen türkischen Zeitung beginnt in Istanbul

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München. Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat den am Montag in Istanbul beginnenden Prozess gegen Mitarbeiter der Zeitung »Cumhuriyet« als »hanebüchen« bezeichnet. Das Verfahren sei »an Absurdität nicht zu überbieten, denn was all diese Journalisten verbindet ist, dass sie in erster Linie unabhängig berichtet haben«, sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, dem Radiosender Bayern 2.

Für Reporter ohne Grenzen hätten sie kritisch gegen die regierende AKP und den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan berichtet. »Und das wird hier versucht auszumerzen«, sagte Mihr, der als Beobachter nach Istanbul gereist ist. Aus Sicht seiner Organisation handele es sich auch um »einen symbolischen Prozess«.

»Cumhuriyet« sei die älteste Zeitung der Türkei und habe »ihre Flagge für die Pressefreiheit in der Türkei immer hochgehalten«. Für Reporter ohne Grenzen sei es deshalb wichtig, in Istanbul »Flagge zu zeigen und den Kollegen den Rücken zu stärken und zu sagen: Wir vergessen Euch nicht«.

»Cumhuriyet« sei nicht die einzige regierungskritische Zeitung in der Türkei, sagte Mihr. »Es gibt erfreulicherweise noch mehr und deshalb ist es auch wichtig, dass wir die Pressefreiheit in der Türkei nicht für tot erklären«, sagte er.

Insgesamt 17 frühere und jetzige Mitarbeiter der »Cumhuriyet« stehen ab diesem Montag vor Gericht. Ihnen wird nach Angaben ihrer Anwälte Unterstützung von Terrororganisationen wie der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, der linksextremen DHKP-C oder der Gülen-Bewegung vorgeworfen. Die türkische Führung macht die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich.

Zwölf »Cumhuriyet«-Mitarbeiter befinden sich in Untersuchungshaft. Angeklagt werden elf der Inhaftierten sowie fünf weitere Mitarbeiter von »Cumhuriyet« und der ehemalige Chefredakteur der Zeitung, Can Dündar. Dündar lebt im Exil in Deutschland. Vor Gericht sollen sich unter anderem der derzeitige Chefredakteur Murat Sabuncu, »Cumhuriyet«-Herausgeber Akin Atalay und der bekannte Investigativjournalist Ahmet Sik verantworten. Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen drohen den Angeklagten bis zu 43 Jahre Haft.

Mehrere Organisationen wiesen die Terrorvorwürfe als »politisch motiviert« zurück und kündigten an, den Prozess zu beobachten. Vertreter der Gruppen wollten vor Prozessbeginn am Montag an einer Demonstration vor dem Gericht teilnehmen.

Neben Reporter ohne Grenzen kritisieren auch die Europäische Journalistenvereinigung, Pen International, das International Press Institute und das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit, in keinem Land der Welt seien mehr Journalisten hinter Gittern als in der Türkei. Nach Angaben der Europäischen Journalistenvereinigung sind dort inzwischen mehr als 150 Journalisten inhaftiert. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 155 von 180.

In der Anklageschrift wird Dündar unter anderem beschuldigt, die Blattlinie geändert zu haben. Die Zeitung habe unter seiner Führung die »Terrororganisationen« PKK, die Gülen-Bewegung und die DHKP-C verteidigt, heißt es. Als Indizien werden unter anderem Artikel angeführt. Etwa ein Bericht aus dem Jahr 2015, in dem die »Cumhuriyet« geheime Informationen veröffentlichte, die Waffenlieferungen der Regierung an Rebellen in Syrien belegen sollen.

Dafür wurden Dündar und der Hauptstadtbüroleiter Erdem Gül in einem anderen Verfahren schon zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Geheimnisverrats verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Auch Twitter-Nachrichten der Journalisten werden in der Anklage aufgeführt. Im Fall des Investigativ-Journalisten Sik etwa mehrere, die den Konflikt zwischen der Regierung in Ankara und der PKK im Südosten des Landes thematisieren. Agenturen/nd

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