»Es ist paradiesisch hier«
Niederwerth ist Deutschlands einzige Rheininsel mit einer ganzen Ortsgemeinde - ein Bericht aus Rheinland-Pfalz
Manche sind dicht besiedelt, manche nur von einzelnen Menschen bewohnt. Und manche sind Naturschutzgebiet - Rheininseln haben ihren ganz eigenen Reiz. Den zuständigen Behörden zufolge gehören 28 größere von ihnen zu Rheinland-Pfalz und sechs weitere zu Hessen. Reif für die Insel, Leben im Rhein - ein Blick auf ausgewählte Beispiele von Nord nach Süd.
Ganz im Norden von Rheinland-Pfalz liegt die zwei Kilometer lange Insel Nonnenwerth, die zu Remagen gehört. Hier befinden sich ein Kloster und ein Gymnasium der Franziskanerinnen. »15 Schwestern wohnen ständig auf der Insel«, sagt Kloster-Verwaltungsdirektor Tim Berger. »Es ist ein besonderer Ort, zu dem man ohne Fähre nicht hinkommt.« Für rund 700 Schüler gehört eine Bootsfahrt zum Schulweg.
Bei Koblenz umspült der Rhein die vier Kilometer lange Insel Niederwerth. »Wir sind Deutschlands einzige Rheininsel mit einer ganzen Ortsgemeinde«, sagt Bürgermeister Josef Gans (SPD). Rund 1400 Bürger zählt sein Inseldorf. »Wir haben zwar keine Geschäfte mehr, aber wir sind stolz auf unseren Kindergarten und unsere Grundschule mit jeweils rund 40 Kindern«, ergänzt Gans. Hinzu kommen zwei Gaststätten. Ein erstes Seniorenheim ist in Planung. Bekannt ist die Insel Niederwerth für ihren Spargel- und Erdbeeranbau. Seit 1958 verbindet sie eine Brücke mit dem Städtchen Vallendar.
»Es ist paradiesisch hier«, sagt der Bürgermeister. »Wir genießen die absolute Ruhe und sind von wunderbarer Natur und vom Wasser umgeben.« Kein Wunder, dass viele Festlandbürger gerne auf die Insel zögen. »Aber unser Problem ist das beschränkte Bauland«, erklärt Gans. »Bei den Hochwassern 1993 und 1995 standen zwei Drittel der Insel unter Wasser. Danach wurden die Baulinien enger festgesetzt.« Baugrundstücke seien so begehrt, dass sie oft nur in Familien weitergegeben würden. »Es gibt deshalb junge Erwachsene, die zum Hausbau die Insel verlassen müssen«, bedauert der Bürgermeister.
Manfred Hause ist auf Niederwerth geboren worden. Der Briefträger erinnert sich noch gut an ein Hochwasser der 1960er Jahre: »Damals haben wir direkt am Rhein gewohnt. Das Wasser hat 1,40 Meter in der Küche gestanden, und ein Kahn ist gegen unser Haus gekracht.« Der Postbote freut sich über das ausgeprägte Vereinsleben auf der Insel. »Der Karnevalsverein zum Beispiel macht immer neun Sitzungen.«
Vor drei Jahren aus Armenien auf Niederwerth gezogen ist Narek Melikyan mit seiner Familie. Der Elfjährige lebt in einer Wohnung über der Grundschule. »Am Anfang haben uns alle Spielzeug gebracht. Das war sehr nett.« Es sei familiär auf Niederwerth, die Leute unterstützten sich gegenseitig.
Aus Norddeutschland stammt Anna, die ihren Nachnamen nicht nennen will: »Ich lebe hier in Ruhe und trotzdem topzentral nahe der A48, A61 und A3.« Im Schnitt sei es zwei Grad wärmer auf Niederwerth im Vergleich zum Festland - sehr angenehm. Etwas kritischer ergänzt die 45-Jährige: »Hier weiß jeder, was nebenan mittags gegessen wird.«
Über die Brücke auf die Insel gelaufen kommen Esra Akdogan und Michael Dopfer, Wirtschaftsstudenten aus Vallendar. »Wir wollen uns hier am Rhein sonnen«, sagt Akdogan. »Hier fühlt es sich an wie Urlaub.« Beide haben auch schon öfter am Flussstrand gegrillt.
Ein Naturparadies mit mächtigen Bäumen und seltenen Vögeln ist auch die Königsklinger Aue gegenüber dem hessischen Eltville, die zum rheinland-pfälzischen Heidesheim gehört. Das zwei Kilometer lange Eiland ist im Eigentum der Unternehmerfamilie Mayer im Kreis Offenbach. Nur das Verwalterehepaar Eva-Maria und Gerd Ohlerich wohnt ständig auf der Königsklinger Aue. Dort steht neben mehreren kleineren Gebäuden ein Herrenhaus, das die einstige »Inselgräfin« Bertha von Francken-Sierstorpff um 1910 errichten ließ.
Das Ehepaar Ohlerich entdeckte einst eine Stellenanzeige für den Verwalterposten und zog vor mehr als einem Jahrzehnt von der Ostseeküste auf die Privatinsel. Für das Übersetzen ans Festland begannen die Verwalter neben Booten Amphibienfahrzeuge zu nutzen, die sowohl auf vier Rädern an Land als auch im Wasser wie ein Boot fahren können. Mit Blick auf die Ruhe und Selbstständigkeit auf der Insel sagt der Agraringenieur Gerd Ohlerich: »Hier zu leben, ist wie ein Lottogewinn.«
Die 3,3 Kilometer lange und bis zu 300 Meter breite hessische Nachbarinsel Mariannenaue gehört zu Eltville. Der Name erinnert an die Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau, die 1855 Schloss Reinhartshausen gegenüber auf dem Festland kaufte und dort lebte. Die Binneninsel wird auch zum Weinbau genutzt.
Die Weinkontrolleurin Daniela Roy hat zu Studienzeiten in dem Gutshof auf dem Eiland gewohnt - und einen umständlichen Weg zur damaligen Fachhochschule Bingen gehabt: »Mit dem Boot ans Festland, mit dem Auto nach Rüdesheim, von dort mit der Fähre nach Bingen und dann wieder mit Fähre, Auto und Boot zurück.« Trotzdem vermisst Roy das Leben auf der Insel: »Das Gefühl, dort alleine zu sein, ist romantisch.« Gerne denke sie an die schönen Plätze in der freien Natur der Insel zurück.
Und die Nachteile? »Es gibt kein Postboot zur Insel und keine frischen Brötchen.« Boot und Motor müssten stets gepflegt sein, betont die Weinkontrolleurin. Bei dichtem Nebel sei das Übersetzen ans Festland wegen der regen Schifffahrt auf dem Rhein gefährlich: »Das ist wie Autofahren mit verbundenen Augen.« Was passiert bei Hochwasser? »Wenn es extrem ist, schaut nur noch wie bei einer überspülten Hallig in der Nordsee das höher gelegene Haus aus dem Wasser«, erklärt Roy. Danach blieben viel Schlamm und Schmutz zurück.
Viel weiter im Süden liegt Ludwigshafens Parkinsel. Mit Villen, Parks und gehobener Gastronomie zählt sie zu den begehrtesten Wohngebieten der Arbeiterstadt. Kein Wunder, dass das Rathaus von »Wohnen wie im Urlaub« spricht - das seinen Preis hat. Zu einer Insel wurden die 64 Hektar erst Ende des 19. Jahrhunderts, als sie beim Bau des Luitpoldhafens mit einem Graben von der Stadt abgetrennt wurden. Ein Damm verbindet das Eiland mit dem Festland.
Daneben gibt es unbewohnte Rheininseln, etwa das Naherholungsgebiet Rettbergsaue nahe Mainz und das benachbarte Eiland Petersaue mit einem Wasserwerk. Aus der Vogelperspektive sehen viele Rheininseln fast wie Schiffe aus: Von der Strömung in Jahrhunderten mitgeformt, sind sie oft lang und schmal und laufen vorne und hinten spitz zu. dpa/nd
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