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Feier der Freiheit

Andreas Koristka über einen Wahlkampf, der dem Terrorismus trotzt

Ein eisiger Wind weht durch Deutschland. Er bläst Häkeldeckchen von Mahagoni-Beistelltischen und lässt Kuckucksuhren erfrieren: Es ist Wahlkampf! Und im Wahlkampf ist - ähnlich wie im Krieg, in der Liebe und bei der Herstellung deutscher Autos - alles erlaubt. Nie wurde um die Macht erbitterter, boshafter und hinterhältiger gerungen, wurde eine Entscheidungsschlacht so schlammig, verlogen und mitreißend temperamentlos geführt. Es kämpfen Angela Merkel gegen Martin Schulz im Duell Gut gegen Böse, oder besser gesagt: Kanzlerin gegen künftigen Außenminister. Das ist nicht nur spannend, sondern auch deswegen ein hochinteressanter Zweikampf, weil sich beide wohl selbst kaum auseinanderhalten könnten, wenn Schulz keinen Bart tagen würde.

Doch bei allem Hass und gegenseitiger Achtung (gewachsen durch jahrelange konstruktive Zusammenarbeit) muss es auch irgendwann mal gut sein! Nach der Sache in Barcelona hat die Kanzlerin deshalb so schnell wie möglich alle Parteichefs angerufen und klargemacht, dass man den Wahlkampf aus Pietätsgründen ein wenig drosseln sollte. Und das tut dem Land richtig gut! Man könnte sogar sagen, dass dies die einzig positive Sache an den widerlichen Morden in Spanien war. Jetzt können in Deutschland alle endlich wieder durchatmen. Man kann nach dem ganzen Tohuwabohu des Wahlkampfsommers wieder die Muße finden, bei einem gemischten kleinen Softeis in sich zu kehren, oder einfach mal über die häufigen Niederschläge diskutieren.

Angela Merkel nimmt es mit ihrer Ankündigung, den Wahlkampf etwas zu bremsen, besonders ernst. Sie will zwar wirklich nur ein Stück weit einen Gang zurückschalten. Aber schon das bedeutet für die Kanzlerin, dass sie nur noch regungslos dastehen kann. Was zwar wirklich nur sehr wenig weniger als zuvor ist, allerdings versucht sie zusätzlich mental ihren Stoffwechsel zu verlangsamen. Mit ersten Erfolgen: Seit Freitag war sie nur ein Mal groß!

Für Martin Schulz sieht die Sache schon anders aus. Ihm warfen Kritiker vor, einen sehr trockenen Wahlkampf zu führen. Aber unsachliche Töne sind nun mal nicht sein Bier. Er hat sich jedenfalls nicht jahrelang in Brüssel den Allerwertesten plattgesessen, nur damit er jetzt im Wahlkampf gegen diese Merkel sein Gesicht verliert. Gegen eine Merkel, die - man muss es nun mal so ganz klipp und klar sagen - auch viel richtig gemacht hat. Schulz kann doch nicht gegen eine Frau erbarmungslos ankämpfen, die linker ist als Teile der Grünen (Boris Palmer) und im persönlichen Umgang freundlicher als Sigmar Gabriel! Das wäre Verrat an der Sache.

Allerdings, wenn Schulz noch defensiver auftreten wollen würde, dann müsste er sich schon umbringen. Aber nur still und heimlich, so dass nie jemand auch nur irgendwas davon erfährt. Das kann doch auch keiner wollen! Denn wie die Kanzlerin richtig erkannt hat, muss so ein Wahlkampf weiter geführt werden, egal, was in der Welt Schreckliches geschieht. Denn: Wahlkampf! Das ist eine »Feier der Demokratie«, ja sogar eine »Feier unserer Freiheit« (Merkel). Und das ist wahr! Im Falle von Merkel gegen Schulz ist es zwar eine Feier, auf die einen der aktuelle Lebenspartner mitgeschleppt hat, auf der man alle anderen Gäste hasst und das einzige angebotene Getränk der »tolle Matetee« ist, den die Wiebke von ihrer letzten Südamerika-Reise mitgebracht hat. Eine Party, auf der man heimlich zum mitgebrachten Flachmann greift, bis man nach einer quälenden, ewig langen Viertelstunde endlich rotzbesoffen auf dem handgetufteten Flurteppich liegt und vor lauter Verzweiflung über die eigene Misere immer wieder die Faust gegen die Stirn schlägt (Wiebkes) und lauthals darüber jammert, was man für einen erbarmungswürdigen Scheiß mitmachen muss.

Tja, das ist eben das Tolle an der Demokratie! Das können uns die Terroristen nicht wegnehmen! Und selbst wenn sie es könnten, wäre es nur halb so wild.

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