Firmen dürfen Privatmails nicht lesen
Menschenrechtsgerichtshof schützt Angestellte
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Rechte von Beschäftigten gestärkt: Eine Entlassung wegen privater Internetnutzung am Arbeitsplatz erklärte das Gericht am Dienstag für nicht rechtens. Das Unternehmen verstoße mit der Überwachung der elektronischen Kommunikation des Angestellten gegen das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre.
Der Kläger, ein rumänischer Ingenieur, war im August 2007 nach dreijähriger Tätigkeit von seinem Unternehmen entlassen worden, weil er seine berufliche E-Mail-Adresse auch privat genutzt hatte. Der Chef präsentierte ihm eine Kopie seines E-Mail-Verkehrs.
Das Unternehmen hatte zuvor den Angestellten mitgeteilt, dass eine andere Beschäftigte wegen privater Nutzung von Internet, Telefon und Kopierer gefeuert worden war. In Rumänien hatte der 38-Jährige vergeblich gegen die Entlassung geklagt. Der Gerichtshof für Menschenrechte rügte hingegen, die rumänische Justiz habe nicht hinreichend geprüft, ob der Ingenieur über die Kontrolle seiner Mails informiert wurde. Es sei auch nicht geprüft worden, ob der Angestellte über das Ausmaß dieser Überwachung - und damit das »Eindringen in sein Privatleben« - unterrichtet war.
Außerdem sei die rumänische Justiz nicht der Frage nachgegangen, inwieweit eine so ausführliche Überwachung gerechtfertigt war, rügte der Gerichtshof. Sie habe nicht sorgfältig zwischen den Interessen der Firma und dem Recht auf Privatsphäre abgewogen. Interne Vorschriften dürften »das soziale private Leben am Arbeitsplatz nicht völlig unterbinden«, heißt es weiter.
Die Entscheidung ist definitiv und hebt das Urteil einer kleinen Kammer des EGMR vom Januar 2016 auf, die die Klage zunächst abgewiesen hatte. Sie könnte Gesetzgebung und Rechtsprechung in den 47 Mitgliedsländern des Europarats beeinflussen. Diese müssten Konsequenzen aus dem Urteil ziehen. In Deutschland hatte das Bundesarbeitsgericht kürzlich entschieden, dass Unternehmen die Tätigkeit ihrer Beschäftigten am Computer nicht pauschal überwachen dürfen. Das verletze das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. AFP/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.