West-LINKE soll prima abschneiden

Gerade in Innenstadtbezirken sind die Sozialisten inzwischen immer besser verankert

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Wetter könnte besser sein. Bei Nieselregen stehen an diesem Samstagmittag rund 100 Menschen vor der Bühne der Linkspartei auf dem Hermannplatz in Neukölln. Erst später, als Petra Pau und Gregor Gysi kommen und es aufklart, werden es mehr. Viele Passanten huschen vorbei, nehmen aber die Flyer mit, die Parteimitglieder der LINKEN verteilen. Neben der Hauptbühne gibt es Stände mit einer Fahne der IG Metall und der Bildungsgewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Kinder halten rote Luftballons oder Windräder in der Hand. Die zentrale Wahlkampfveranstaltung der LINKEN zur Bundestagswahl im Westteil der Stadt ist als »Mitmachveranstaltung« konzipiert - Interessenten sollen mit den Mitgliedern, aber auch den Initiativen vor Ort ins Gespräch kommen, aktiviert werden, sich selber zu engagieren. »Wir verstehen Politik als Prozess, an dem jeder mitmacht«, sagt Judith Benda, die Direktkandidatin der LINKEN in Neukölln, in ihrer Rede.

Tatsächlich hat es die LINKE in den vergangenen Jahren immer besser vermocht, in West-Berlin Fuß zu fassen. Wobei Neukölln mit 14,8 Prozent bei der Bundestagswahl 2013 bei den Zweitstimmen deutlich auf Platz 1 im Vergleich der Westbezirke lag. Dass die Sozialisten als Vertreter wahrgenommen werden, zeigt sich auch im Wahlkreis 83, der nördlich des Hermannplatzes beginnt. Dort, im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer-Berg-Ost, schickt sich derzeit Pascal Meiser an, den als ehemaligen Ströbele-Wahlkreis bekannten Wahlkreis von den Grünen zu erobern. Die LINKE will an dieser Stelle neben Treptow-Köpenick, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Pankow ihr fünftes Direktmandat holen. Ob das klappt, wird sich am Wahlabend zeigen. Derzeit sieht es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Laut den Berechnungen von »Wahlkreisprognose.de« liegt die Grünen-Kandidatin Canan Bayram mit 25,5 Prozent nur noch einen Punkt vor Meiser, der laut der Prognose auf 24,5 Prozent kommt.

Die Herausforderung für Pascal Meiser besteht darin, nicht nur die LINKEN-Hochburgen Friedrichshain und Prenzlauer Berg Ost zu halten, sondern auch in Kreuzberg im Westen weiter hinzugewinnen. »Das ist auch eine Frage des Parteiaufbaus«, sagt Meiser dem »nd«. Nimmt man nur die Jungen, Hippen mit, oder berücksichtigt man nicht auch stark Rentner und Erwerbslose. In Kreuzberg scheint man die richtige Strategie gefunden zu haben: Bereits bei der vergangenen Bundestagswahl lag die LINKE im Bezirk bei den Zweitstimmen mit 25,1 Prozent vorne. Und mit seinem Schwerpunkt auf dem Thema Mieten trifft Meiser, der in der Bundesgeschäftsstelle der LINKEN den Bereich »Kampagnen und Parteientwicklung« leitet, einen sensiblen Nerv. Das Thema ist weiter brisant und aktuell, wie am vergangenen Wochenende die zahlreichen Proteste in der Stadt sowieso die Veröffentlichung eines Offenen Briefes von betroffenen Mietern gezeigt haben.

Von der Eroberung eines Direktmandats sind die rein westlichen Wahlkreise dagegen weit entfernt. Die besten Chancen hat Judith Benda, deren Neuköllner Bezirksverband zu den aktivsten in der Stadt zählt. In dem Verband ist die Strömung »Marx21« stark, das heißt: viel Straßen- und Basiswahlkampf. So führten die Genossen aus Neukölln unter anderem Anfang August einen eigenen Aktionstag zum Start des Plakatierens durch. Mit derzeit von »Wahlkreisprognose.de« in Aussicht gestellten zwölf Prozent liegt Benda immerhin auf Augenhöhe mit der grünen Mitbewerberin, aber weit hinter SPD und CDU, die im bürgerliche Süden Neuköllns stark sind.

Einstellige Ergebnisse werden den LINKEN-Direktkandidaten in Reinickendorf, Spandau-Charlottenburg-Nord, Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Steglitz-Zehlendorf vorhergesagt. Aber auch in diesen Bezirken geht es für die Partei um Einiges. »Die Westbezirke sind für uns sehr wichtig vor allem im Kampf um die Zweitstimmen. Hier haben wir unser größtes Wachstumspotenzial«, sagt Katina Schubert. Die Landesvorsitzende der LINKEN erwartet, dass die Partei im Westen »prima« abschneidet. Schließlich habe die Berlin-Wahl 2016 gezeigt, dass man in der ganzen Stadt verankert sei. So ist die Partei in allen Bezirksverordnetenversammlungen mit Fraktionen vertreten. Für die Arbeit vor Ort ist das wichtig. Denn dadurch wird die Partei konkret »erfahrbar und ansprechbar«. »Das wiederum hilft uns, die Mitgliederbasis zu verbreitern«, sagt Schubert. Und mehr Mitglieder bedeuten mehr Wahlkämpfer.

Über die Wahl wird viel gesprochen - das allein ändert noch nicht die Verhältnisse. Wir schlagen im Wahlkampf eine Schneise in die Schwafelei. Lesen Sie mit auf unserer Spezialseite zur Bundestagswahl 2017

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