Zum Schein, zum Schutz, aus Liebe
Mit einer Razzia ging die Polizei gegen eine Bande vor, die Nigerianern zum Aufenthaltstitel verholfen haben soll
Einmal Aufenthalt für 13 000 Euro, bitte: Die Polizei hat am Dienstagmorgen in Berlin 41 Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht. Ziel war eine Bande, die Nigerianern gegen Geld einen Aufenthalt in Deutschland ermöglicht haben soll.
Der Polizei zufolge haben seit November 2016 etwa 70 Männer mit Hilfe von gefälschten Ehepapieren mit Portugiesinnen eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Die Frauen sollen in Portugal angeworben worden und dann für einige Tage nach Berlin geflogen sein, um mit den in Nigeria gefälschten Eheurkunden zur Ausländerbehörde zu gehen. Anschließend reisten die Frauen wieder zurück in ihre Heimat.
Auch in Potsdam, Frankfurt am Main und Görlitz wurden Wohnungen durchsucht. Insgesamt beteiligten sich 400 Beamte an der Razzia. Die portugiesische Polizei durchsuchte zeitgleich Wohnungen in Portugal. In Berlin verhaftete die Polizei vier Frauen im Alter von 46 bis 64 Jahren und einen 50-jährigen Mann. Sie sollen die Köpfe der Bande sein, die Kontakte nach Portugal gehabt haben soll. Zehn Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung fielen der Polizei auf. Die Bundespolizei, die Berliner Polizei und Europol stellten angebliche Beweise sicher, darunter Pässe, EU-Aufenthaltskarten, Handys, Speicher und Computer sowie Unterlagen. 300 000 Euro wurden beschlagnahmt.
Einem Sprecher zufolge erhofft sich die Polizei dadurch Hinweise auf weitere bereits vor November 2016 erfolgte Zahlungen sowie Urkundenfälschungen. In den bekannten Fällen sollen die meisten Männer bereits in Europa gelebt haben. Teilweise hatten sie eine Aufenthaltsgestattung für Italien, wie ein Sprecher der Bundespolizei mitteilte. Nach Zahlung von 13 000 Euro sollen sie dann nach Deutschland gekommen sein. »Hauptziel war Berlin«, sagte der Sprecher.
Im Juni war eine Gruppe aufgeflogen, die mit einer anderen Methode Aufenthaltstitel ermöglicht haben soll: Mehr als 700 Männer sollen in Berlin gegen Geld die Vaterschaft von Kindern von Migrantinnen anerkannt haben. Die Frauen aus Osteuropa, Afrika und Vietnam zahlten bis zu 5000 Euro an die Scheinväter, an Anwälte und Notare. Die schwangeren Frauen erhielten so ein Bleiberecht in Deutschland, die neugeborenen Kinder automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft. Das Bundesinnenministerium geht von bundesweit etwa 5000 Fällen pro Jahr aus.
Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte zu den bekannt gewordenen Ermittlungen am Dienstag, es sei schwer, Scheinehen zu ermitteln. »Ich hoffe, dass die Liebe meistens im Vordergrund steht.«
Auf legalem Weg ist es den wenigstens Nigerianern möglich, in Deutschland zu bleiben. Die meisten Asylanträge werden abgelehnt. 5260 Nigerianer beantragten in den ersten acht Monaten des Jahres Asyl in Deutschland. Entschieden wurde in dem Zeitraum über 18 371 Asylanträge von Nigerianern. Rund 10 000 wurden abgelehnt. Rund 1100 wurden als Flüchtlinge anerkannt, weitere 200 erhielten den niedrigeren subsidiären Schutz, und für 1600 wurde ein Abschiebeverbot festgestellt. Manche Asylsuchende auch anderer Herkunftsländer gehen daher Schein- oder Schutzehen ein.
Hakan Taş, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, sagte, man müsse auch auf die Ursachen schauen, die zu unrechtem Handeln führten. Menschen verließen ihre Heimat nicht grundlos, sondern weil sie beispielsweise vor Krieg fliehen. »Wir müssen Fluchtursachen bekämpfen und sichere Fluchtwege nach Europa und Deutschland bieten.« Auch müsse nun geprüft werden, ob die portugiesischen Frauen sich freiwillig an dem Deal beteiligt hätten oder ob sie dazu gezwungen worden seien. »Geht es hier um Scheinehen oder gar um Zwangsehen?«
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