Mach deinen Job und sei darauf stolz!
J. Mauser / Captain Gips
Komm, erzähl mir nicht, wie reich du bist / Komm, erzähl mir nicht, wie schön du bist / Ist mir alles wirklich scheißegal.« Hier scheint, und das ist sehr erholsam, zumindest nicht der im hiesigen HipHop allgemein üblich gewordene und mit dumpfestem Mackertum, Dicke-Eier-Gehabe und Sexualprotzerei angereicherte Kult um finanziellen Reichtum und die jeweils gelungenste Anpassung ans gesellschaftlich vorgegebene Schönheitsideal betrieben zu werden.
Diese Musik klingt also ganz und gar nicht nach jenem von allem Geist befreiten, gesellschaftskonformen, autoritätsfixierten deutschsprachigen »Rap« und »HipHop«, den man von den armseligen Figuren kennt, die seit einigen Jahren permanent durch die Medien gereicht werden und im Vergleich zu denen - wenigstens gewinnt man schnell diesen Eindruck - einem jeder Vierjährige wie ein Einstein vorkommt.
Klar, denn hier haben wir es mit zwei der großen Ausnahmen zu tun: Captain Gips und Johnny Mauser, beide auch dem gemischtgeschlechtlichen linken HipHop-Kollektiv Neonschwarz zugehörig, haben neue Alben herausgebracht, und beide klingen sehr gut. Allein die von den beiden Künstlern aufgegriffenen Themen zeigen: Hier hat man es mit zweien jener heute selten gewordenen Menschen zu tun, die schon mal ein Buch gelesen haben, das vielleicht nicht das falscheste war, und auch schon öfter als zwei Mal nachgedacht haben. Kritik am gesellschaftlichen Ganzen gehört demzufolge hier zur Grundausstattung, sei es nun die Kritik an der internalisierten Bereitschaft zur Lohnarbeit (»Geh über deine Grenzen, du musst funktionieren / Hör nicht auf dein Herz, lass dich rumkommandieren / Mach dein’ Job, egal wie dumm er ist, und sei darauf stolz / Und achte bitte drauf, dass du niemand enttäuschst«) oder die Kritik am autoritären Charakter des deutschnationalen Kleinbürgers (»Du bist stolz auf ein Land, in dem du zufällig geboren bist / Du hast es zu nichts gebracht, und das macht dich zornig (…) Du bist ein deutscher Mann, der immer grade geht / Und alle deine Kumpels wählen AfD«).
Doch nicht nur Captain Gips, auch sein Hamburger Rapperkollege Johnny Mauser hat sich weiterentwickelt. »Klangen seine überwiegend politischen Texte früher nach Flugblatt, Proseminar und Plenum, schafft er es jetzt immer häufiger, nicht plakativ und belehrend zu klingen«, heißt es in der »Jungle World«. Und tatsächlich gelingt dem Rapper mit seinem Track »Daddy« so etwas wie Rollenprosa von Erdogan- und AfD-Wählern: »I need a daddy, einen, der mal richtig auf den Tisch haut / Der mal sagt, was sich von den ganzen Pussys keiner traut.«
Captain Gips: »Klar zum Kentern« (Audiolith / Broken Silence)
Johnny Mauser: »Mausmission« (Audiolith / Broken Silence)
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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