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»Unser größter Freund ist der Konjunktiv«

Muss das Open Air abgesagt, der Garten gegossen werden? Der Deutsche Wetterdienst zwischen Regen und Traufe

  • Sandra Trauner, Offenbach
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Kirschbauer will wissen, ob er morgen seine Bäume spritzen kann. Die Band will wissen, ob sie am Abend das Open Air absagen muss. Und der Arbeitnehmer will wissen, ob er mit dem Rad oder der U-Bahn ins Büro fahren muss. Regnet es oder bleibt es trocken? Eine Frage, die alle ständig stellen - und die für Meteorologen so schwer zu beantworten ist wie keine zweite.

Beim Deutschen Wetterdienst (DWD) im hessischen Offenbach sind die Mitarbeiter in dieser Hinsicht Leid gewohnt. »Wenn man mit euch ein Wochenende plant«, schimpfen Menschen in den sozialen Medien, »kauft man sich besser nen Frosch oder fragt nen Rheumakranken«. Beim DWD hört man das nicht gern. Aber Mitarbeiter geben zu: Bei allen Vorhersagen werden die Prognosen immer besser - nur nicht beim Regen.

Wieso das so ist, weiß Detlev Majewski, Leiter der DWD-Abteilung Meteorologische Analyse und Modellierung. »Niederschlag ist einer der kompliziertesten Prozesse in der Atmosphäre«, sagt er und setzt an zu erklären, was in der Luft so alles passiert, bevor es regnet.

So seien in den Wolken besondere Tropfen. Sogenannte Wolkentropfen sind viel kleiner als Regentropfen. Damit ein Regentropfen zu Boden fällt, müssen sich viele Wolkentropfen zusammenballen. Das tun sie, wenn es entweder so viele sind, dass die Tröpfchen aneinander stoßen und sich verbinden. Oder wenn sie auf Widerstand treffen - etwa Feinstaub in der Luft. An Schmutzpartikeln kondensieren Mini-Tröpfchen - so wie der Dampf an der Scheibe der Dusche.

Auf dem Weg nach unten kann dann viel passieren: Der Tropfen wird vom Wind abgetrieben und landet weit weg von der Wolke. Also müssen die Meteorologen Wind mit einbeziehen. Oder er verdampft, weil es unten wärmer ist als oben. Also geht es nicht ohne Temperatur. Auch wenn man nur etwas über Regen wissen will, muss das ganze Vorhersagemodell des DWD herhalten: 700 000 Programmzeilen auf einem Computer, der 40 Millionen Euro gekostet hat.

Gute Vorhersagemodelle sind das eine, Datenbeschaffung das andere. Wetterstationen messen Temperatur, Feuchte, Regen und Wind am Boden. Wetterballons und Flugzeuge holen diese Daten ein paar Kilometer über der Erde ein, Satelliten in bis zu 36 000 Kilometern Höhe. Ein Riesenaufwand, der für die konkrete Regen-Vorhersage wenig bringt.

Das fängt schon bei der Frage an: Ab wann ist Regen Regen? Wenn ein paar Tropfen fallen? Wann ist es noch Nebel und wann schon Regen? Für den DWD ist Regen, »wenn Wasser im Topf ist«, wie Majewski sagt.

Im Garten des DWD steht eine schlanke Metallröhre mit Trichter, durch den das Wasser in ein Kännchen im Inneren fließt. Wenn der Regen nicht über dem Topf niedergeht, sondern ein paar Meter daneben, hat es für die Statistiker nicht geregnet.

Reinhold Hess aus der Meteorologischen Anwendungsentwicklung hat es ausgerechnet: Wenn in den vergangenen sechs Jahren an einer Messstation ein Millimeter Regen vorhergesagt war, wie oft war dann was im Topf? In 35 Prozent der Fälle. »Je kleiner das Gebiet, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass die Vorhersage zutrifft«, sagt Statistiker Hess. Macht man das Gebiet größer, wird die Vorhersage besser, »aber dann nützt sie niemandem«. Wer wissen will, ob er im Garten gießen muss oder das Picknick absagen soll, will das sehr lokal wissen. »Deswegen arbeiten wir mit Wahrscheinlichkeiten«, sagt Hess. Frankfurt am Main, Dienstag 9 Uhr, 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit. Was heißt das? »Es heißt«, sagt Hess, »dass es in 100 vergleichbaren Situationen in der Vergangenheit 30 Mal geregnet hat«.

Jens Hoffmann gibt die Niederschlagsvorhersage an die Kunden weiter. In der Vorhersage- und Beratungszentrale blickt er auf einen Bildschirm, auf dem grüne und rote Gebilde über Deutschland ziehen: Regenwahrscheinlichkeiten. »Verschiedene Modelle liefern unterschiedliche Vorhersagen«, sagt Hoffmann. »Die Daten sind nicht konsistent - wir müssen sie bewerten.«

Regen- und Gewitterwolken sind und bleiben auf absehbare Zeit die größte Herausforderung der Metrologie. »Die Natur führt uns immer wieder an unsere Grenzen«, sagt Hoffmann. »Unser größter Freund ist der Konjunktiv.« dpa/nd

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