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Vom Stadtpolizisten zum Steuerspion

Das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main verhandelt gegen einen mutmaßlichen Schweizer Spion

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Ist Daniel M. (54) ein Spion des Schweizer Nachrichtendienstes, hat er die deutsche Steuerfahndung ausgeforscht? Darüber befindet seit Mittwoch das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main. Aus organisatorischen Gründen steht für Medienvertreter und die übrige Öffentlichkeit nur ein Eingang zum Sitzungssaal zur Verfügung.« Der, so heißt es in der Mitteilung des Gerichts, befinde sich »etwas versteckt an der Rückseite des Gebäudes«.

Das Interesse an dem Fall ist groß. Schließlich ist es schon etwas sehr Besonderes, wenn ein Schweizer Spion in Deutschland angeklagt wird. Doch war Daniel M., der 16 Jahre brav als Stadtpolizist in Zürich und dann in der Sicherheitsabteilung der UBS gearbeitet hat, überhaupt ein Spion? Und falls ja, hat er für den Schweizer Nachrichtendienst gegen Deutschland gespitzelt?

Die deutsche Bundesanwaltschaft wirft M. jedenfalls vor, zwischen Juli 2011 und Februar 2015 im Auftrag des NDB die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung samt einigen Mitarbeitern ausgespäht zu haben. Geheimdienstliche Agententätigkeit wird in Deutschland in schweren Fällen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft. Geld wiegt schwer. Was erwartet also den Angeklagten?

Nach elf Verhandlungstagen wissen wir es, wenn der Prozess nicht in eine Verlängerung geht. Vielleicht geht aber auch alles ganz schnell, ein Deal wäre denkbar, denn so wird nicht noch einmal dreckige Wäsche gewaschen, die die Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland belasten würde. Sicher ist: Ein Austausch des Angeklagten gegen einem Mann vom BND scheidet aus, schon weil die Schweiz natürlich keinen in ihrer Obhut hat.

Alles begann 2007 in einem Winterthurer Fitness-Studio. Ein Mitarbeiter der Credit Suisse soll damals dort Kundendaten vergessen haben. Ein Trainingspartner fand sie, sah, welch Gewinn sich aus den aufgeführten Schwarzgeldkonten deutscher Staatsbürgern ableiten lässt. Die beiden boten die berühmte Steuersünder-CD dem Land Nordrhein-Westfalen an. Für 2,5 Millionen Euro. Doch da waren die Schweizer Behörden schon alarmiert.

Beide wurden gefasst und verurteilt. Während der schusslige Banker seine 24-monatige Haft antrat und sein Komplize sich im Berner Regionalgefängnis das Leben nahm, begann die Schweizer Bundesanwalt gegen die deutschen Steuerfahndung zu ermitteln. Man schrieb bereits das Jahr 2009, als M. einbezogen wurde. Damals herrschte »Krieg« zwischen Deutschland und der Schweiz. Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück wollte die Schweiz auf eine EU-Liste krimineller Steueroasen setzen und drohte öffentlich: »Die Indianer müssen wissen, dass es die Kavallerie in Fort Yuma gibt.«

M. forschte angeblich im Auftrag des NDB den cleversten aller deutschen Steuerfahnder aus: Peter Beckhoff. Von ihm gab es öffentlich nicht einmal Fotos, über seine Arbeitsmethoden war im Gegensatz zu denen normaler Geheimdienste so gut wie gar nichts bekannt. Dabei ließ sich M. von einer Frankfurter Sicherheitsfirma helfen, deren Angestellte – wie er - aus dem Geheimdienst- und Polizeimilieu stammen.

Sie liefern M. die persönlichen Daten von drei deutschen Steuerermittlern, die auf der Wunschliste des NDB ganz oben standen. Für gut 9.000 Euro. Im Frühjahr 2012 erlässt die Schweizer Bundesanwaltschaft Haftbefehle gegen Beckhoff und zwei seiner engsten Mitstreiter. Verdacht: Anstiftung zur Bankgeheimnisverletzung. In den Haftbefehlen sind exakt die Angaben enthalten, welche M. aus Frankfurt erhielt, inklusive falscher Schreibweise bei Beckhoffs Gattin.

Monatlich 3000 Franken und weitere Zahlungen soll M. selbst erhalten haben, als er versuchte, ein U-Boot in der Finanzverwaltung zu installieren. Doch irgendetwas ist seltsam an der Geschichte. M. und andere Späher der »Indianer« tauschen unverschlüsselte Mails auf privaten Konten aus, benutzen Klarnamen. Man kann dem damals neu gegründeten Nachrichtendienst des Bundes allerlei Dämlichkeit zutrauen, doch das übersteigt jedes Maß.

Angeblich – und nun wird das Ganze zur Räuberpistole - soll M. auch versucht haben, Kundendaten der UBS und weiterer Banken an einen »Journalisten« zu verkaufen. Der Medienmensch war aber kein anderer als der dubiose Geheimagent Werner Mauss, der damals – welch Zufall - für die UBS einen Job erledigt haben soll. Maus informierte seine Auftraggeber, Ende 2014 wurde M. in Zürich festgenommen. Doch nur vorläufig, denn die angebotenen Bankdaten waren allesamt Fälschungen.

Was Mauss, der Akteneinsicht in dass Schweizer Verfahren bekam, ziemlich gewurmt und zu der Idee angeregt hat, das so erworbene Wissen an die deutschen Behörden weiterzureichen. So erfuhren die erstmals etwas über M. Gut drei Jahre später nahm man Daniel M. in einem Frankfurter Hotel fest.

Eigentlich ist der Krieg längst beendet. Die »Kavallerie« war siegreich, die »Indianer« haben ihre Kriegsbeile begraben. Das Bankgeheimnis ist weitgehend abgeschafft, die Schweizer liefern brav, weil automatisiert, alle wichtigen Daten. Ausgerechnet jetzt wird Daniel M., der letzte »Indianer«, an den Marterpfahl eines deutschen Gerichts gebunden.

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