Zusammenstoß schlägt Wellen
Erstmals wurden Gravitationswellen kollidierender Neutronensterne erfasst und das Ereignis zugleich mit optischen Teleskopen gesichtet
Astronomen haben erstmals Gravitationswellen von der Kollision zweier Neutronensterne aufgezeichnet. Ebenfalls zum ersten Mal konnten die Folgen eines solchen Ereignisses mit zahlreichen Teleskopen beobachtet werden. Am 17. August 2017 registrierten die Detektoren der beiden LIGO-Observatorien in den USA und des VIRGO-Instruments in Italien rund 100 Sekunden lang winzige Kräuselungen (Wellen) in der Raumzeit. Fast zeitgleich erschien ein Gammastrahlenblitz.
Die Forscher haben durch die Aufzeichnungen eine Reihe neuer Erkenntnisse über Neutronensterne, die dichtesten bekannten Sterne im Universum, gewonnen. Verschiedene Signale zeigen zudem das Vorkommen von Gold, Platin und anderen chemischen Elementen, die schwerer sind als Eisen, in der Umgebung der Kollision an. Die Wissenschaftler sehen dies als deutlichen Hinweis darauf, dass ein Großteil der schweren Elemente beim Zusammenstoß oder der Verschmelzung von Neutronensternen entsteht.
»Es ist enorm aufregend, ein seltenes Ereignis zu erleben, das unser Verständnis der Funktionsweise des Universums verändert«, sagte France Córdova, Direktorin der amerikanischen National Science Foundation (NSF). Die NSF finanziert die baugleichen LIGO-Observatorien in Hanford (Washington) und Livingston (Louisiana), die vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und dem California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena betrieben werden.
Erst kürzlich war die Vergabe des Physik-Nobelpreises 2017 für die Messung der von Albert Einstein vor 100 Jahren theoretisch vorhergesagten Gravitationswellen am LIGO im Jahr 2015 verkündet worden. Nachdem viermal die Verschmelzung von Schwarzen Löchern registriert wurde, wiesen die Signale diesmal auf kollidierende Neutronensterne hin. Wichtig war, dass auch der gerade wieder in Betrieb genommene europäische Gravitationswellendetektor VIRGO in der Nähe von Pisa (Italien) die Wellen aufzeichnete. Dadurch konnten die Forscher die Himmelsregion, in der der Ursprung der Gravitationswellen vermutet wurde, stark eingrenzen.
Eine weitere Eingrenzung ermöglichte ein Gammastrahlenblitz, den die Weltraumteleskope »Fermi« und »Integral« etwa zwei Sekunden nach Ende des Gravitationswellensignals registrierten. Gammastrahlenblitze sind extrem energiereiche elektromagnetische Strahlung. Die Astronomen vermuteten sofort einen Zusammenhang zwischen den Signalen und informierten Astronomen an zahlreichen Observatorien.
Etwa zehn Stunden nach Erfassung der Gravitationswellen entdeckten Astronomen mit einem Lichtteleskop in Chile einen neuen Lichtpunkt bei einer Galaxie im Sternbild Wasserschlange (Hydra). Insgesamt wurden 70 Observatorien auf der Erde und im Weltall auf die Signalquelle in einer Entfernung von etwa 130 Millionen Lichtjahren gerichtet. Gesucht wurde im gesamten elektromagnetischen Spektrum von der Röntgenstrahlung über ultraviolettes, sichtbares und infrarotes Licht bis hin zu Radiowellen.
»Dieser erste Nachweis der Gravitationswellen von verschmelzenden Neutronensternen ist für sich allein genommen schon extrem spannend«, erklären Karsten Danzmann, Bruce Allen und Alessandra Buonanno vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover und Potsdam in einer Institutsmitteilung. »Aber die Kombination mit Dutzenden von Folgebeobachtungen im elektromagnetischen Spektrum macht es wirklich revolutionär.« »Neutronensterne sind die kompliziertesten Objekte im Universum«, sagte Danzmann. Diese Himmelskörper bleiben übrig, wenn ein massereicher Stern in einer Supernova explodiert. Bei einem Durchmesser von etwa 20 Kilometern besitzen sie das Zweifache der Masse der Sonne oder 700 000 Erdmassen. Doch viele physikalische Details sind noch nicht geklärt.
Deshalb setzen Danzmann und seine Kollegen auf die sogenannte Multi-Messenger-Astronomie, wie die Forscher die Kombination aus Gravitationswellen und elektromagnetischen Signalen nennen. dpa
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.