Nach dem Ende der Bücherbusse

Nordost-Bibliotheken setzen auf »Onleihe MV«

  • Birgit Sander, Schwerin
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Karte der rund 90 öffentlichen Bibliotheken in Mecklenburg-Vorpommern zeigt viele weiße Flecken: Längst nicht alle Einwohner des Landes haben eine Bibliothek in gut erreichbarer Nähe. Eine Lösung des Problems sehen Bibliothekare in der Online-Ausleihe (Onleihe) von digitalen Medien wie E-Books. »Veraltete Busse mit verschlissenen Medien sind jedenfalls nicht die Alternative«, sagte die Direktorin der Stadtbibliothek Wismar, Uta Mach, in einer dpa-Umfrage. »Die Onleihe erscheint tatsächlich als zeitgemäße Antwort auf dieses Problem.« Dass Ältere mit elektronischen Medien nicht umgehen wollen, sieht sie nicht: »Nach den Erfahrungen in der ›Onleihe MV‹ gibt es viele ältere Menschen, die sehr wohl mit Tablet und Reader zurechtkommen.«

Der Geschäftsführende Vorsitzende des Bibliotheksverbandes im Land, Robert Zepf, will die Vorstellung aus den Köpfen bekommen, dass Bibliotheken aus Regalen voller Bücher bestehen. Der Direktor der Unibibliothek Rostock gibt 75 Prozent des Etats für Neuerwerbungen digitaler Medien aus. In öffentlichen Bibliotheken sei die Zahl geringer, sagt er. Doch auch diese erfuhren durch digitale Medien einen Zulauf an Nutzern, meinte die Chefin der Stadtbibliothek Rostock, Ria Kretschmer.

Das Problem ist Zepf zufolge, dass nur ein Drittel der öffentlichen Bibliotheken, die leistungsfähigsten, im Projekt Onleihe vernetzt ist. Der Leser kann dort digitale Medien ausleihen und für einen begrenzten Zeitraum auf seinem Computer oder E-Book-Reader speichern. Auch mit Internetarbeitsplätzen können Bibliotheken punkten, etwa bei älteren Schülern, sagte die Leiterin der Stadtbibliothek Schwerin, Grit Wilke. Die Bibliothek biete attraktive Arbeitsplätze und Recherchetraining, etwa zu Hausarbeiten, an. Für Jugendliche bis 18 Jahren sei die Bibliotheksnutzung kostenlos.

60 Bibliotheken gehören nicht zum Kreis der Onleihe, sie können nicht einmal WLAN - also drahtlosen Internetzugang - anbieten. »Das ist ein Indiz dafür, dass wir Nachholbedarf haben«, sagt Zepf. Er verwies auch auf Erfahrungen in Nachbarländern. Im polnischen Westpommern und in Dänemark sei jede Gemeinde verpflichtet, eine öffentliche Bibliothek zu unterhalten.

Dass Bibliotheken von einer freiwilligen zu einer Pflichtaufgabe der Kommunen werden, ist ein verbreiteter Wunsch und eine Forderung des Deutschen Bibliotheksverbandes. Der möchte in den Bundesländern auch Bibliotheksgesetze, die verbindliche Standards für Ausstattung, Leistung und Finanzierung festlegen. Fünf Länder haben ein solches Gesetz, in Mecklenburg-Vorpommern ist laut Ministerium keins geplant.

Während die großen Bibliotheken wie in Rostock mit 22 900 Nutzern und in Schwerin mit 8000 Nutzern mit ihrer Ausstattung recht zufrieden sind, müssen kleine Bibliotheken viel Fantasie entwickeln, um über die Runden zu kommen. In Zarrenthin etwa gehören dazu Öffnungszeiten am Wochenende - ein Zugeständnis an Berufspendler, wie die stellvertretende Leiterin Sabrina Haupt sagt. Denn wenn Leser Probleme hätten, die Bücher zurückzugeben, blieben sie ganz weg.

Die größte Schwierigkeit sei der Mangel an Personal, sagte Haupt. Es fehle an Zeit für Recherchen zu Neuerwerbungen und um diese dann in die Bestände einzuarbeiten. Hilfe bekomme sie vom Literaturzirkel, der Tipps zu Bestellungen gebe. Den Erwerbungsetat von 4000 Euro jährlich stocke die Bibliothek mit Erlösen von Flohmärkten auf, bei denen geschenkte Bücher verkauft werden. dpa/nd

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