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Mit ein paar Klicks Facebook reich machen
Timo Daum erklärt in seinem Buch, was die Digitalisierung mit uns Beschäftigten und Konsumenten macht
Kaum ein wirtschaftspolitisches Thema wird derzeit mehr diskutiert als die Konsequenzen der Digitalisierung für unsere Ökonomie und vor allem unsere Arbeitswelt. Egal ob in programmatisch-strategischen Debattenbeiträgen von Politikern und Verbandssprechern, in Fachbüchern oder unzähligen Zeitungsartikeln: Auf breiter Basis werden Vor- und Nachteile des digitalen Kapitalismus und der damit verbundenen Umwälzung unseres Lebens abgewogen. Einen sehr konzisen und in seiner Klarheit bestechenden Beitrag liefert das gut 250-seitige Buch von Timo Daum mit dem schönen Titel »Das Kapital sind wir«.
Darin geht der studierte Physiker, Experte für Digitalökonomie und Medienfachmann auf die jüngsten Entwicklungen ein und zeigt auf, wie sich durch die Digitalisierung nicht nur unsere Biografien, sondern auch der ökonomische Verwertungsprozess an sich nachhaltig verändern. Neben einer Analyse neuer wirtschaftlicher Entwicklungen und ihrer möglichen Tendenzen in der nächsten Zukunft, bietet das Buch auch eine interessante Lektüre der Theorie von Karl Marx auf der Höhe der Zeit, die den veränderten Entwicklungen eines neuen Akkumulationsmodells im digitalen Kapitalismus nachspürt. Denn die Entwicklung und Überlebensfähigkeit des Kapitalismus orientiert sich heute nicht mehr primär an schweißtreibender Fabrikarbeit und einer fortlaufenden Automatisierung im Produktionsbereich, auch wenn diese beiden Faktoren im globalen Maßstab nach wie vor eine wichtige Rolle spielen.
Das neue Proletariat im Plattformkapitalismus der früheren Industrienationen sind die User, also letztlich wir alle, die ständig Daten zur Verfügung stellen, die von Facebook, Uber und anderen Portalen verwertet werden. Die dazu nötigen Algorithmen werden in einer verkürzten Kritik nicht selten als moderne Geisel verstanden. Dabei übernehmen die Algorithmen nicht die Weltherrschaft, wie Timo Daum betont. Die kapitalistische Gesellschaft selbst ist »algorithmisiert« und erzeugt eine neue »Form gesellschaftlichen Fließbands: 24/7 aktiv, immer vernetzt, einen konstanten Strom an Daten generierend, regelhaft kommunizierend - wie eine Maschine«. Anstatt durch die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung weniger zu arbeiten, müssen wir sogar mehr leisten und erleben darüber hinaus eine fortwährende Kolonisierung unserer Freizeit. Arbeit und Privates erleben eine immer stärkere Entgrenzung, wobei es nicht nur um die ständige Erreichbarkeit geht. Durch die Sharing-Economy und die digitale Mitmachkultur erzeugen die Konsumenten fortwährend Informationsflüsse und ermöglichen so erst die ständigen Innovationsschübe der Wirtschaft.
Mit wirklicher Teilhabe hat das aber nichts zu tun, betont Daum: »Wir alle werden zu Mikro-Unternehmern einer egalitären, die Ressourcen schonenden kollaborativen Ökonomie, und das unter Beibehaltung von Privatbesitz, Warenproduktion, Profitorientierung und freiem Markt.« Auch wenn die neuen digitalen Ökonomien vor allem in der kalifornischen Ideologie als Ausdruck eines neuen demokratischen Kapitalismus angepriesen werden, ändert sich nichts Wesentliches am kapitalistischen Status quo der immer ungleicher werdenden Eigentumsverhältnisse.
Dabei stellt sich natürlich auch die Frage, ob die Digitalisierung nicht das Potenzial für eine andere, auf wirklicher Teilhabe basierende Ökonomie schaffen könnte. In dieses Horn stoßen zahlreiche Autoren, deren Thesen Daum ebenfalls kurz vorstellt, unter anderem der Brite Paul Mason, der zuletzt mit seinem Buch »Postkapitalismus« breit rezipiert wurde. Mason sieht das Kapital sogar an seine innere Schranke stoßen, da durch die Digitalisierung Produktionskosten stetig sinken und das bisherige Akkumulationsmodell in die Krise gerät. Dadurch würde eine Art Sprungbrett in eine postkapitalistische Gesellschaft erzeugt, so Mason.
Dass es diesen Automatismus wirklich gibt, bezweifelt Timo Daum. Doch auch er sieht die Möglichkeit einer anderen Ökonomie jenseits der aktuellen Informationsmonopole im Silicon Valley. Wie diese »techno-futuristische Plangesellschaft als Gegenmodell zum Digitalen Kapitalismus« aussehen könnte, führt er jedoch nicht konkret aus. Wobei der dabei zugrunde liegende New Deal ausreichende Grundversorgungen für die Bewohner urbaner Ballungsräume bieten müsste. Auf die bereits erfolgten technologischen Entwicklungen des digitalen Kapitalismus wird man nach Meinung Daums dabei nicht verzichten können. Beispielsweise müsste für die Bereiche Energie, Transport, Verkehr und Wissen in einer modernen Stadt auf die Informationen aller zurückgegriffen werden. Technologisch wäre das heute möglich. Nur müsste dies jenseits privatwirtschaftlicher Wertschöpfung organisiert werden.
Timo Daum: Das Kapital sind wir, Nautilus-Verlag, 272 Seiten, 18 Euro.
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