- Politik
- Angriff auf RAI-Journalisten
Ein Kopfstoß erschüttert Italien
Bruder eines bekannten Mafia-Bosses bricht Reporter die Nase, der nach Verbindungen zu Neofaschisten fragt
Das Unwohlsein steht Roberto Spada auf die Stirn geschrieben. Er windet sich im Gespräch mit RAI-Reporter Daniele Piervincenzi. Doch sein Ausraster trifft den Journalisten dennoch unerwartet: Spada holt kurz aus und wirft dann seinen Kopf mit voller Wucht ins Gesicht des Reporters. Sofort ist klar, dass er ihn verletzt hat. Doch das Blut im Gesicht seines Opfers scheint Spadas Wut erst richtig herauszukitzeln: Er zieht einen Schlagstock aus der Tasche und verfolgt den Reporter und dessen Kameramann über die Straße. Dann endet die Aufnahme – und die Geschichte nimmt ihren Lauf.
Das am Dienstag im römischen Vorort Ostia entstandene Video erlangte rasch nach Veröffentlichung große Aufmerksamkeit. Denn der Täter ist ein Bekannter: Roberto Spada ist der Bruder des Mafiabosses Carmine Spada. »Er hat zugeschlagen, weil ich Fragen stellte«, sagt Piervincenzi. Sein Team arbeitete an einem Dokumentarfilm über die Gemeinderatswahlen am vergangenen Wochenende – zwei Jahre, nachdem der Stadtrat von Ostia wegen Mafiainfiltration aufgelöst worden war.
Doch Ostia ist nicht nur Heimstätte für die Organisierte Kriminalität. Daniele Piervincenzi besuchte Spada, weil er zu den Verbindungen zwischen der Mafia und der neofaschistischen Bewegung Casa Pound recherchiert.
Die neofaschistische Gruppe Casa Pound berief sich bei ihrer Gründung 2003 auf den US-Schriftsteller Ezra Pound (1885–1972), der von Italien aus rassistische Hetzschriften veröffentlicht hatte. Die Organisation zählt nach eigenen Angaben mehr als 4000 Mitglieder und ist vor allem in Rom verankert. Mehrere Aktivisten der selbsternannten »Faschisten des Dritten Jahrtausends« waren in Gewalttaten gegen Migranten verwickelt.
Bei der Kommunalwahl in Ostia am vergangenen Sonntag erreichte Casa Pound über neun Prozent der Stimmen, beim letzten Urnengang waren es noch 1,8 Prozent. In Nuova Ostia, das Viertel der Familie Spada, kam die rassistische Partei sogar auf 18 Prozent. Roberto Spada hatte zuvor auf Facebook zur Wahl der Neofaschisten aufgerufen.
Piervincenzi wollte es nun genau wissen und fragte Spada, ob Casa Pound dank seiner Werbung so viele Stimmen bekam. Spada antwortete, er wisse es nicht und lese keine Zeitung. Dann setzte er zum Kopfstoß an und brach dem Reporter die Nase.
Solche Gewalttätigkeit ist aus seiner Familie und ihrem Umfeld bekannt. Sieben Angehörige wurden erst im Oktober zu insgesamt 56 Jahren Haft verurteilt. Carmine Spada erhielt 2016 eine zehnjährige Gefängnisstrafe wegen Erpressung und Mafia-Zugehörigkeit.
Am Donnerstagabend schließlich wurde Roberto Spada von den Carabinieri festgenommen – unter Pfiffen und Beleidigungen von Beobachtern. Ihm wird Körperverletzung mit dem straferschwerenden Umstand des mafiösen Vorgehens vorgeworfen. Die Festnahme Spadas sei die Demonstration dafür, dass es in Italien keine gesetzlosen Zonen gebe, erklärte Italiens Innenminister Marco Minniti.
Zu der Attacke äußerten sich zahlreiche Politiker. Der italienische Regierungschef Paolo Gentiloni solidarisierte sich mit Piervincenzi. Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi von der Fünf-Sterne-Bewegung sagte, der Angriff sei nicht hinnehmbar. »Nicht zu reagieren bedeutet, sie gewähren zu lassen«, so Raggi bei Twitter. Sie rief zu einer Kundgebung gegen die Organisierte Kriminalität in Ostia am Samstag auf.
Daniele Piervincenzi will sich von dem Angriff nicht einschüchtern lassen. »Eine gebrochene Nase kann uns nicht aufhalten«, erklärte der Journalist und bedankte sich bei seinem Kollegen Edoardo Anselmi, der die Kamera und damit die Aufnahme mutig verteidigt habe. mit Agenturen
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!