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  • »Che. Der private Blick«

Den ganzen Menschen zeigen

»Che. Der private Blick« zeigt den Revolutionär mit allen Stärken und Schwächen

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ernesto ist mein Bruder und Che ist mein Gefährte - für mich ist das ein und derselbe Mensch« - sagt der Bruder Juan Martín Guevara. »Er war ein strenger Mann, ein Revolutionär mit einem starken Sinn für das Politische, ein Mann, der die Revolution wahrlich wollte« - urteilt ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter. »Che sah einfach klasse aus, alle waren wir in ihn verliebt« - schwärmt eine Kampfgefährtin.

Mit diesen drei Aussagen spannt Regisseurin Jana von Rautenberg gleich zu Beginn von »Che. Der private Blick« den weiten Bogen ihres Films über den Menschen Ernesto Rafael Guevara de la Serna, dessen 50. Todestages bereits im Oktober nicht nur in Kuba, sondern weltweit gedacht wurde. Und ihr Blick geht wirklich ins Private, ohne ein voyeuristischer zu werden: Wenn der ehemalige Chauffeur und Adjutant erzählt, dass Che tanzte, als hätte er Holzbeine, dabei aber stets Respekt mitschwingt - dann wird eine Ikone ins Leben gesetzt, ohne sie vom Sockel stürzen oder glorifizieren zu wollen. Rautenberg will den ganzen Menschen zeigen, den Freund, den Mann, den Revolutionär.

Auch mithilfe vieler Fotos und sogar Schmalfilmaufnahmen aus dem engsten Familienkreis wird der Lebensweg nachgezeichnet. Kindheit und Jugend in Argentinien, wo in einer großen Familie schon die Leidenschaft fürs Wissen, für Bücher aufblitzt. Als Medizinstudent dann die großen Reisen durch Südamerika, mit dem Zug, Fahrrad oder Motorrad. Sie öffnen Ernesto die Augen für die soziale Realität, die vor allem aus extremer Armut, Ungleichheit und Ungerechtigkeit besteht. In Guatemala wird er zum Marxisten - maßgeblich geprägt von einer Frau, die eigentlich findet, er sehe viel zu gut aus, um intelligent zu sein. Von da an wird er auch »Che« genannt - was Freund bedeutet.

Selbst die fortschrittlichsten Revolutionäre haben das Frauen- und Männerbild der 50er Jahre verinnerlicht - Che sieht sich zeit seines Lebens nicht als Familienvater, auch nicht als seine erste Tochter geboren wird. Er wählt immer den Kampf. Die Revolution in Kuba an der Seite Fidel Castros ist der Wendepunkt in seinem Leben. Wobei der Sieg über Batista am seidenen Faden hängt: Fast vereitelt ein sprachliches Missverständnis den Überfall auf einen Panzerzug. Che fragt zur Sicherheit noch einmal nach - und nach dem gelungenen Schlag ist der Weg nach Havanna und damit zur Macht frei.

Nachdem die Revolution gesiegt hat und die Feiern abgeklungen sind, kommen die Mühen der Ebene - und Che, der Revolutionär, dem die höchsten Ämter angetragen werden, sei es als Minister oder Direktor der Nationalbank, eignet sich überhaupt nicht als Bürokrat. Und gleichzeitig blitzt die Härte und, ja, auch Gnadenlosigkeit auf, die Che Guevara in sich trägt. Es kommt zu Schauprozessen, die keinerlei rechtsstaatlichen Ansprüchen genügen. Sie werden live im Fernsehen übertragen. Auch Che ist Staatsanwalt und Richter in einer Person. »Prozesse mit großem humanistischen Bewusstsein«, wie ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter sagt - die Sprache revolutionärer Härte, in der »Humanismus« auch für die Abwesenheit von »Recht« steht. Che selbst vollstreckt auch Todesurteile.

Che ist auf Kuba nicht mehr glücklich. Die Ämter liegen ihm nicht, auch wegen privater Konkurrenz seiner Frauen. Er hat nicht viel Zeit, Vater zu sein - seine Kinder lesen Briefe von ihm an sie zuerst in Schulbüchern. Es bleibt die innere Zerrissenheit. Che muss weg, dorthin, wo neue Kämpfe, neue Revolutionen warten. Bis nach Bolivien, wo er im Oktober 1967 mit nur 39 Jahren sein Ende findet. Der Sohn Camilo Guevara hadert bis heute sichtbar: Welche der wenigen Erinnerungen an den Vater sind die eigenen, was Erzählungen?

Ein Film über den ganzen Menschen, mit aller Stärke und Güte, aber auch inneren Kämpfen und Zweifeln. Schade, dass Arte den Film auf einen doppelt späten Sendetermin legt.

Arte, 19. November, 22.45 Uhr

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