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Tauziehen um Milieuschutz
Bezirksverordnete stimmen für Einwohnerantrag zur sozialen Erhaltung im Weitlingkiez
Der Weitlingkiez soll Milieuschutzgebiet werden. Eine Bürgerinitiative hat dafür von Juli bis Oktober fast 1300 Unterschriften gesammelt. Am Donnerstag brachte sie ihre Forderung als Einwohnerantrag in die Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg in der vollen Max-Taut-Aula am Nöldnerplatz ein. Wenn die Bürgerinitiative Erfolg hat, könnten beispielsweise Luxussanierungen verhindert werden, um somit den steigenden Mieten und der Gentrifizierung entgegenzuwirken.
Henriette van der Wall von der Bürgerinitiative kritisierte, dass Wohnungen zunehmend als »Geldvermehrungsmaschinen« der Immobilienkonzerne fungierten. Sie forderte die Bezirksverordneten auf, für den Antrag zum Milieuschutz zu stimmen. »Handeln Sie zum Wohle der Menschen, die dort leben, und zum Wohle der Stadt«, appellierte sie.
Im Anschluss erklärte die Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung Birgit Monteiro (SPD) etwas Überraschendes: Es sei bereits beschlossen, eine neue Studie zur sozialen Situation bei der TOPOS-Stadtforschung in Auftrag zu geben. Zuvor waren Bewohnern des Weitlingkiezes befragt worden, die sich mehrheitlich gegen ein Milieuschutzgebiet ausgesprochen hatten. Allerdings sollen an der Umfrage bei weitem nicht alle Menschen teilgenommen haben.
»Wir hatten, auch aufgrund Ihrer Initiative, das Gefühl einer negativen Dynamik«, sagte Monteiro an die Bürgerinitiative gerichtet zur Mietsituation im Kiez. Deshalb wolle man nun TOPOS mit einer neuen Studie beauftragen.
Christine Titel, eine weitere Vertreterin der Bürgerinitiative, zeigte sie sich trotzdem erfreut über die Studie, kritisierte aber, erst jetzt darüber informiert worden zu sein, dass diese in Auftrag gegen werden solle. Titel plädierte für ein durchmischtes Wohnen aller sozialen Schichten im Kiez. Da dies dem Profitinteresse der Immobilienkonzerne entgegen stehe, müsse die Politik dringend eingreifen.
Der CDU-Verordnete Gregor Hoffmann argumentierte gegen den Milieuschutz. Berlin hätte bereits eine der sozialsten Durchmischungen im europäischen Hauptstadtvergleich. Hoffmann warf der ehemaligen Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (LINKE) vor, während ihrer Amtszeit (2001 bis 2011) den Sanierungsplan für das Wohngebiet veranlasst zu haben. Nun, da dort modernisiert werde, seien alle dagegen und forderten Milieuschutz. Die Alternative zu Sanierungen sei vielleicht »wie in der DDR 40 Jahre Leerstand, und dann alles verfallen lassen«. Damit erntete Hoffmann etliche Buhrufe aus den Zuschauerrängen.
Die Bezirksverordnetenversammlung stimmte schlussendlich mit absoluter Mehrheit für den Einwohnerantrag zur erneuten Prüfung über einen Milieuschutz. Einzig die CDU-Fraktion war geschlossen dagegen. Nach der Abstimmung heißt es nun warten, bis die Ergebnisse der neuen TOPOS-Studie vorliegen. Van der Wall von der Bürgerinitiative zeigte sich zuversichtlich. Er hofft, dass die neue Umfrage möglichst schnell durchgeführt wird, und dieses Mal »auch die Bevölkerungsschichten erreicht werden, die nicht so politaffin sind«.
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