»Wir leben auf der Autobahn«

Mecklenburg-Vorpommern: Minister Pegel bringt verkehrsgeplagten Menschen an der A20 keine guten Nachrichten

  • Lesedauer: 4 Min.

Tribsees. Die Einwohner der kleinen Kommunen rund um Tribsees, die seit Ende September von der Vollsperrung der A20 betroffen sind, haben am Dienstagabend ihrem Ärger über ihre Situation kräftig Luft verschafft. Denn seit Wochen rollen täglich Tausende Autos und Laster durch die Ortschaften. Den Unmut bekam Verkehrsminister Christian Pegel (SPD) deutlich zu spüren, als er sich rund 200 Bürgern zum Gespräch stellte.

Damit hatte er die wohl schwerste Aufgabe von seinen Kabinettskollegen erwischt. Am Dienstag waren die Minister im Rahmen der Reihe »Landesregierung vor Ort« ins ganze Land ausgeschwärmt. Nach Angaben von Regierungssprecher Andreas Timm kamen mehr als 700 Menschen zu den Veranstaltungen.

Ende September war auf der Autobahn 20 auf der Fahrspur in Richtung Rostock ein riesiges Loch von etwa zehn Metern Breite, 40 Metern Länge und durchschnittlich 2,50 Metern Tiefe entstanden. Bürgermeister Hartmut Kolschewski brachte das Geschehen am prägnantesten herüber: »Wir leben auf der Autobahn, es ist ein berauschendes Erlebnis.« Die Probleme, die sich dadurch ergeben, waren dem Minister wohl aus zahlreichen Mails, Briefen und Gesprächen bekannt, doch wurden sie ihm im Gutshaus Landsdorf noch einmal sehr kompakt nahegebracht: Das Hauptproblem sie die Rücksichtslosigkeit der Auto- und Lastwagenfahrer, die - ebenfalls genervt durch die Umleitung - aufs Gas drücken.

Die Anwohner, die nun selbst viel mehr Zeit für den Weg zur Arbeit brauchen, sehen derzeit keine Chance, sich gegen die Verkehrsflut zu wehren. Sie verlangten aber von Pegel, dass Tempo 30 auf den Dorfstraßen gilt. Ein Anwohner berichtete, dass Polizisten hilflos mit den Schultern gezuckt hätten, als ein Lkw mit 70 durchs Dorf raste. »Die Menschen haben Angst auf der Straße«, das ist wohl die Botschaft, die Pegel mit zurück nach Schwerin nahm. Er versprach, sich mit dem Landkreis in Verbindung zu setzen. Wütend rief ein Anwohner, dass beschlossene Maßnahmen dann aber auch kon-trolliert werden müssten. »Wir haben doch genügend Polizisten.«

So richtig gute Nachrichten konnte der Landesverkehrsminister nicht überbringen. Es wird wohl bis zum nächsten Frühjahr dauern, bis eine Entscheidung über eine Behelfsbrücke fallen kann. Unklar ist auch, ob der ganze Damm mit einer Länge von 800 Metern über einer Torflinse betroffen ist. So blieb denn auch unklar, wie lange die Menschen in der Umgebung noch mit der Belastung leben müssen. Fraglich ist auch, wer beispielsweise Schäden an den Häusern ausgleicht, die durch die Erschütterung entstehen können, welche von den schweren und schnellen Lastern ausgelöst werden.

Lediglich die lärmgeplagten Einwohner in der kleinen Ortschaft Breesen können auf schnellere Besserung hoffen. Pegel kündigte an, dass der Verkehr mit der Eröffnung der neuen Behelfsabfahrt am Mittwoch nicht mehr durch Breesen geführt werde.

Die aktuellen Verkehrsbehinderungen auf Landstraßen und Autobahnen in Mecklenburg-Vorpommern verdeutlichen nach Überzeugung der Grünen erneut die Notwendigkeit zum Umsteuern. Langwierige Bauarbeiten gibt es auch an der A19-Brücke bei Plau am See. »Gerade jetzt wäre eine gute Gelegenheit, die Urlaubsregionen mit der Bahn besser anzubinden«, erklärte Grünen-Verkehrsexpertin Jutta Wegner am Dienstag in Schwerin. Sie forderte unter anderem mehr Direktverbindungen aus Ballungszentren in das Küstenland und abgestimmte Busangebote im ländlichen Nahverkehr. Das Ziel: »Urlauber kommen bequem ohne Auto zu uns, vor Ort finden sie ein attraktives ÖPNV-Angebot, um die Schönheiten unseres Landes zu genießen. Die Bürger des Landes müssen nicht mehr im Stau stecken oder nervige Umleitungen fahren.«

Die CDU-Landtagsfraktion sieht insbesondere auch für die Urlauberinsel Usedom weitere Verkehrsprobleme heraufziehen. »Der weitere Aufbau von Bettenkapazitäten auf Usedom und in Swinemünde sowie der Bau des Swine-Tunnels werden die jetzige Situation noch verschärfen«, erklärte der Abgeordnete Franz-Robert Liskow nach Gesprächen mit Gastronomen und Kommunalpolitikern auf Usedom. Übereinstimmung bestehe darin, »dass ein gesamtheitliches Verkehrsentwicklungskonzept, welches sowohl Bahn-, Rad- und Straßenverkehr berücksichtigt, erarbeitet werden muss«, so Liskow. dpa/nd

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