Russland will neue Untersuchung
Moskau: Giftgasangriffe in Syrien wurden nicht professionell aufgeklärt
New York. Nach seinem Veto gegen die Verlängerung einer UN-Expertenmission zu Giftgasangriffen in Syrien hat Russland die Gründung eines neuen Untersuchungsausschusses vorgeschlagen. Der sogenannte Joint Investigative Mechanism (Gemeinsamer Untersuchungsmechanismus), kurz JIM, sei »tot«, sagte der russische UN-Botschafter Wassili Nebensia am Mittwoch nach einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York. Der Mechanismus habe sich »vollständig diskreditiert« und könne nicht »in der gegenwärtigen Form fortbestehen«.
Russland sei aber bereit, über die Schaffung eines neuen Mechanismus zu sprechen, »der den JIM ersetzt und die Arbeit auf eine wirklich professionelle, objektive und unparteiische Weise macht«, führte Nebensia aus. Russland hatte Ende Oktober und erneut vergangene Woche sein Veto im UN-Sicherheitsrat genutzt, um die von den USA und anderen westlichen Ländern geforderte Mandatsverlängerung für den JIM zu verhindern. Am Freitag stellte die Expertenkommission daher ihre Arbeit nach zwei Jahren ein.
Im Oktober hatte sie einen Bericht veröffentlicht, wonach der Giftgasangriff in der nordostsyrischen Stadt Chan Scheichun von der Armee verübt wurde. Durch diesen Einsatz von Saringas kamen Anfang April Dutzende Menschen ums Leben. Russland, das Staatspräsident Baschar al-Assad militärisch unterstützt, wies die Schlussfolgerung zurück und wirft dem JIM vor, nicht ordentlich gearbeitet zu haben.
Die syrische Regierung bestreitet jegliche Verwicklung in den Angriff auf Chan Scheichun und gibt an, sie verfüge seit einem Abkommen von 2013 über keine Chemiewaffen mehr. Aus Moskau hieß es, das Giftgas in Chan Scheichun könne durch die Explosion einer Bombe bei einem Waffenlager der Dschihadisten freigesetzt worden sein.
Die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, hatte Russland am Freitag vorgeworfen, es werde keinerlei neue Untersuchungsmission zulassen, die »ein Licht auf den Einsatz von Chemiewaffen durch seinen Verbündeten, das syrische Regime, werfen könnte«.
Syriens Opposition beharrt auf einem Rücktritt von Assad. Dieser müsse zum Beginn einer Übergangsperiode abtreten, heißt es in der am Donnerstag verbreiteten Abschlusserklärung einer Konferenz von Oppositionsgruppen in der saudischen Hauptstadt Riad. Nur dann sei ein politischer Prozess in einer Atmosphäre der Sicherheit und Stabilität möglich. Das Treffen mit etwa 150 Vertretern hatte am Mittwoch mit dem Ziel begonnen, die Reihen der zersplitterten Opposition für kommende Verhandlungen zu schließen. UN-Sondervermittler Staffan de Mistura will in der nächsten Woche die bislang erfolglosen Genfer Syrien-Verhandlungen fortsetzen.
Iran und Russland als Verbündete der Regierung sowie die Türkei als Unterstützerin der Opposition planen parallel einen syrischen Volkskongress, mit dem eine politische Lösung für den Bürgerkrieg vorangetrieben werden soll. Darauf hatten sich die Präsidenten der drei Länder am Mittwoch bei einem Treffen in der russischen Schwarzmeerstadt Sotschi geeinigt.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sagte in Sotschi, die drei Länder müssten einen »wichtigen Beitrag für eine politische Lösung« liefern. Der türkische Staatschef, dessen Land über Jahre die Rebellen in Syrien unterstützte, hat sich zuletzt deutlich an Moskau angenähert. Erdogans Priorität ist heute weniger der Sturz Assads als ein Zurückdrängen der Kurden im Norden Syriens.
Die Haltung zu Assad ist innerhalb der syrischen Opposition weiter umstritten. Einige Regierungsgegner wollen, dass das Schicksal des Präsidenten Wahlen überlassen bleibt. Eine Moskau-nahe Gruppe blieb dem Treffen fern. Noch ist es aber eine Mehrheit der Opposition, die Assad als Kriegsverbrecher bezeichnet, der keine Verantwortung mehr tragen dürfe. AFP/nd
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