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Käfers Geheimnis

Alfred Wellm wiederentdeckt

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.

Heika Stegemann lernt in der zweiten Klasse. Und es geht ihr wie vielen Mitschülerinnen. Immer, wenn sie der strengen Lehrerin etwas vorlesen soll, fangen die Buchstaben an, vor ihren Augen hin und her zu tanzen, auf einen anderen Platz in der Zeile zu springen oder ihre Ä- und Ö-Pünktchen wild miteinander zu tauschen.

Alfred Wellm: Das Mädchen Heika.
Bilder v. Steffi Bluhm. Beltz Der KinderbuchVerlag. 47 S., geb., 12,95 €.

Das lässt Heika beinahe verzweifeln. Wie soll sie da auch nur einen Absatz zu Ende bringen, ohne sich zu verhaspeln? Und wie soll sie schließlich und endlich ganze Seiten ohne Stocken und mit angemessener Betonung vortragen, um mit Astrid, Werner und all den anderen zusammen in die dritte Klasse versetzt werden zu können? Da kann nur noch eines helfen: das Lernpulver.

Und das wiederum vermag nur ein äußerst seltener Burrkäfer vom Knispelknobelmann unter der schwarzen Fichtenwurzel zu beschaffen. Ganz schön knifflig, denkt Heika. Beinahe so knifflig wie das Lesenlernen selbst …

Alfred Wellm, einer der bekanntesten Autoren der DDR, hatte ein Gespür für fabelhafte Gleichnisse, die er in kleine, einfach erzählte Geschichten packte. Damit begeisterte er vor allem Kinder, aber nicht nur sie. Sein Roman »Pause für Wanzka«, der von einem engagierten Lehrer berichtete, der gegen Mittelmaß und Angepasstheit im Schulbetrieb ankämpfte und damit scheiterte, wurde sogar verfilmt und machte von sich reden.

In diesem Wanzka steckte auch ein bisschen Wellm. Der Autor war selbst Lehrer, bevor er Schriftsteller wurde. Seine Bücher waren zwar ausgedacht, dabei aber tief verwurzelt im Milieu von Eltern, Lehrern, Kindern und ohne jede Schönfärberei. Daher waren sie so überzeugend, so fesselnd. Gerade neu im Rostocker Hinstorff Verlag erschien »Morisco«, die Geschichte eines Aussteigers, 1987 herausgekommen und noch heute brennend aktuell.

Ungefähr so wie Heikas Leseschwäche. Die beste Methode, diese zu beheben, ist heute wie bereits vor 50 Jahren das Lesen selbst. Es geht nicht, ohne zu üben, aber dann ist es ein Kinderspiel. Und so lockt ein erfahrener Schafhirt, Meister Piel genannt, das leseschwache Kind mit dem Auswendiglernen einer Zauberformel als Voraussetzung dafür, das goldähnliche Lernpulver zu bekommen und sich nie wieder anstrengen zu müssen. Man ahnt, worauf das hinausläuft. Aber jedes Kind muss diese Erfahrung aufs Neue machen, die Leserschaft für Wellm’sche Gleichnisse dürfte auf lange Zeit gesichert sein. Übrigens sind Lesefehler eine Sache, Druckfehler eine andere. In diese begrüßenswerte Neuauflage haben sich einige zu viel eingeschlichen.

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