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»Der Ihre im Namen der Revolution«
Jack London verfasste einen spannenden Roman darüber, wie die Finanzoligarchie alle Register zieht, wenn sie ihre Macht gefährdet sieht
Franz Jung nannte das Buch die »Mathematik eines Traums«, und Leo Trotzki schrieb 1938 an die Tochter Jack Londons: »Wenn man den Roman liest, traut man seinen Augen nicht: Es ist exakt das Bild des Faschismus, seiner Ökonomie, seiner Regierungstechnik, seiner politischen Psychologie, welches hier die kraftvolle Intuition des revolutionären Künstlers entwarf.« Was ist es, was die bis heute anhaltende Faszination des um 1906 entstandenen Buches ausmacht?
• Jack London: Die eiserne Ferse. Roman.
A. d. Am. v. Erwin Magnus. Nora, 292 S., br., 14,90 €.
»Der wilde Indianer ist nicht so roh und so grausam wie die kapitalistische Klasse.« Das sagt der Held des Buches, der Sozialist Ernst Everhard, der eine »Proletarische Wissenschaft« ausgearbeitet hatte und diese sogar Angehörigen der besitzenden Klasse darbringen darf. Dabei lernte er Avis Cunningham kennen, Tochter jenes bürgerlichen Philosophen, der Everhard einlud. Avis wurde später seine Frau.
Jack London lässt Avis eine Geschichte der Klassenkämpfe in den USA zwischen 1912 und 1932 schreiben. Doch ihr Manuskript wird erst im 26. Jahrhundert in einem Versteck aufgefunden. Es ist eine Geschichte, wie sie brutaler, aber auch spannender kaum erzählt werden kann, dieser Kampf des Proletariats gegen die »Eiserne Ferse« als ein Synonym für die Finanzoligarchie, die zu jedem Verbrechen bereit ist, wenn sie ihre Macht gefährdet glaubt. London hatte nicht nur die Literatur von Spencer bis Marx, sondern auch die Zeichen der Zeit studiert: Nicht nur die organisierten Streikbrecher, hier als Söldner bezeichnet, kommen vor, auch das gegen die Arbeiterklasse zu aktivierende Lumpenproletariat, der Mob, der im geeigneten Moment den Grund für das Eingreifen der Armee bietet. Und natürlich die Arbeiteraristokratie, die kein Interesse an der Überwindung des Kapitalismus hat und sich in dem organisiert, was Everhard als »Kasten« bezeichnet.
Die »Eiserne Ferse« zieht alle Register. Sie unterstützt die amerikanischen Sozialisten, die sich mit den deutschen Sozialisten in deren Kampf gegen die Monarchie solidarisieren. Die USA brauchen die Niederlage des Deutschen Reiches. Da durch die Verelendung im eignen Land die Kaufkraft schwindet, muss die »Eiserne Ferse« ständig neue Absatzmärkte erobern und sich damit die Welt unterjochen.
Londons Buch ist wohl die erste marxistische Utopie, die den Klassenkampf zur zentralen Frage macht. Das Buch ist aber auch die Geschichte der Liebe zwischen Avis und Ernst. Beide kommen um, denn dieses Mal verliert die Arbeiterklasse noch den Kampf gegen die »Eiserne Ferse«. Aber die Geschichte bleibt nicht stehen. »Die Periode der Klassenkämpfe, die mit der Zersetzung der ursprünglichen Gütergemeinschaft und der Entstehung des Privateigentums begann, wird mit dem Aufhören des Privateigentums im Sinne des Sozialismus endigen«, schreibt Ernst Everhard. London war lange Mitglied der Sozialistischen Partei. Deren Kompromissbereitschaft, ihr Paktieren mit der »Eisernen Ferse«, zwang ihn 1916 zum Austritt. »Im Klassenkampf geübt«, schrieb er, »glaubte ich, dass die arbeitende Klasse sich durch Kämpfe, ohne sich mit dem Feind zu verständigen und zu paktieren, befreien könne. Da die ganze Richtung des Sozialismus in den Vereinigten Staaten während der letzten Jahre nach Versöhnung und Kompromiss ging, so erlaubt mir meine Gesinnung nicht länger, ein Mitglied der Partei zu bleiben.« Und er unterschrieb mit dem Gruß »Der Ihre im Namen der Revolution«.
Dem Verleger ist zu danken, dass er den faszinierenden Roman wieder zugänglich gemacht hat. Großartig seine Idee, das Cover mit Alfred Kubins Grafik »Der Krieg« zu illustrieren, jenem Monster, das sich unschwer mit der »Eisernen Ferse« assoziieren lässt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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