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Boulette im Brötchen
Das »Nalu Diner« in der Dunckerstraße ist ein Highlight der Burger-Kultur in Berlin
Damals, so Ende der 1990er Jahre muss es gewesen sein, da war er ein Sehnsuchtsort für junge Menschen aus den Randbezirken. Der Hackesche Markt, nicht wegen der prolligen Discos unter den S-Bahnbögen und sicher nicht wegen der Boutiquen, deren teure Klamotten sich eh niemand leisten konnte, nein. Die Köpenicker Jugend trieb es in diese einst so heruntergekommene Ecke wegen des »Sixties«. Ein Diner im Retrostil der 60er Jahre. Rot-weiß gepolsterte Sitzbänke, schwarz-weiß gekachelter Fußboden, Jukebox natürlich, die man vom Sitz aus bedienen konnte. Weil das Geld für die großen teuren Burger oft nicht reichte, teilte man sich zu viert die Mozzarellasticks. Also genau einen für jeden. Aus heutiger Per᠆spektive waren diese mit schleimigem Analogkäse präparierten Panademonster eine Zumutung sondergleichen, aber wie schön distinguiert kamen wir uns vor, dem labbrigen Big-Mac-Ekel im suburbanen Einkaufszentrum entkommen zu sein. Das »Sixties« war das einzige Burger-Restaurant abseits der bekannten Ketten, das irgendwie relevant war. Heute ist das anders - zum Glück.
Seit etwas mehr als fünf Jahren wird die Stadt mit Burger-Läden zugepflastert. Es gibt das berühmte »Birds« an der Max-Schmeling-Halle, das Kiefersperre-Burger in gigantischen Größen serviert, obwohl das Fleisch diese Dimensionen nicht rechtfertigt (zurückhaltend gewürzt, ein wenig zu trocken). Außerdem fördert diese Geschäftspraxis das völlig kulturbanausig daherkommende Essen eines Burgers mit Messer und Gabel. Die »Schillerburger« sind des Durchschnitts Mitte und das »Marienburger« in Prenzlauer Berg war als erste Liebe okay, auf den zweiten Blick aber sind die tiefgefrorenen Burger-Patties, die der Chef du Grill auflegt, keine Offenbarung.
Ein Highlight hingegen ist das »Nalu Diner« in der Dunckerstraße. Die Auswahl an Burgern ist klein, dafür bleiben einem grausame Kreationen wie Burger mit Pilzen erspart. So winzig wie die Auswahl erscheint beim Servieren auch der Burger samt Bun (alias Brötchen). Die Dimensionen aus dem »Bird« noch gegenwärtig, wirkt der bestellte ordinäre Cheeseburger zunächst wie eine geschrumpfte Version großer Erwartungen. Beim ersten Biss ins Fleisch hingegen löst sich die anfängliche Angst, zu kurz zu kommen, auf. Die Boulette ist feinherb gewürzt, kein Pfefferungetüm und auch nicht zu trocken, obwohl gut durchgebraten. Sie trumpft, in perfekter Relation zu den Brötchen, mit einer angenehmen Bissgröße auf und wandert nicht, wie in anderen Etablissements, zur Hälfte in matschigen Bröckchen das Handgelenk hinunter. Besonders erwähnenswert sind die Pommes, die überall und zu jedem Burger dazugehören. Meist fristen sie ein Dasein in der zweiten Reihe, im »Nalu Diner« allerdings heben sie den Burger in angemessener Weise quasi als herausragende Backgroundsängerinnen hervor. Eine perfekte Konsistenz (zwischen schlabberig und kross). Fast in die Ohnmacht treibt einen der mit geschätzten 8000 Kalorien versehene Bananaramamilchshake, der unbedingt dazugehört.
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