Touristenschreck Autobahn

Angst um ausbleibende Urlauber im Nordosten

  • Martina Rathke, Usedom
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Bansiner Kaiser Spa Hotel »Zur Post« auf der Insel Usedom will man den Urlaubern den A 20-Frust mit Humor und Spezialangeboten nehmen. »Wir denken über einen A 20-Entspannungssekt für die Gäste nach, die über die westliche A 20 anreisen und am abgesackten Autobahnteilstück im Stau stehen«, sagt Hotelchef Sebastian Ader. Innerlich brodelt es in dem Touristiker, wenn er an die im Moor versunkene Autobahn bei Tribsees denkt. Doch Ader weiß: Der Tourismus ist eine sensible Branche. Weitere Negativschlagzeilen über das Brückendesaster könnten potenzielle Urlauber vertreiben.

Deshalb richtet Ader, zugleich Chef des Tourismusverbandes auf der Insel Usedom, den Blick nach vorn. »Wir suchen nach konstruktiven Ansätzen.« Sein Kollege von der Insel Rügen, Tourismusverbandschef Knut Schäfer, setzt großes Vertrauen in Verkehrsminister Christian Pegel (SPD). »Wir brauchen jetzt keine Diskussionen, sondern Lösungen«, sagt Schäfer. Pegel sei für die touristischen Probleme sensibilisiert.

Die erfolgsverwöhnten Touristiker im Osten des Landes ahnen, dass ihnen schwierige Jahre bevorstehen. Rügen und Usedom sind mit 6,5 Millionen sowie 5,4 Millionen Gästeübernachtungen pro Jahr die touristischen Hotspots im Nordosten. In Vorpommern - wozu auch Fischland-Darß-Zingst, Stralsund und Greifswald gehören - werden rund zwei Drittel der Gästeübernachtungen des Landes generiert. Nach Angaben Schäfers reisen rund 65 Prozent der Rügen-Urlauber über die A 20 aus Richtung Rostock an. Auf die Insel Usedom kommen nach Angaben des Usedomer Tourismusverbandes etwa 35 bis 40 Prozent der Gäste über die westliche A 20.

Die Touristiker dringen auf eine zügige Wiederherstellung der Anfang Oktober weggebrochenen Straße, wissen aber zugleich, dass es eine schnelle Lösung nicht geben wird. Denn seit Dienstagabend ist klar: Das Problem beschränkt sich nicht auf das abgesackte Autobahnteilstück. Ein Baugrundgutachten hatte im Landesverkehrsministerium die Hoffnung zerstreut, dass der ebenfalls auf der Moor-Linse liegende Teil hinter der abgesackten Stelle noch ausreichend tragfähig ist. Deshalb verzichtet das Land auf den Bau einer Behelfsbrücke.

»Dass ein Autobahnteilstück im hoch entwickelten Deutschland für Jahre nicht mehr befahrbar ist, geht nicht«, sagt Ader. Die abgesackte A 20 müsse Chefsache im Bundesverkehrsministerium werden, Planung und Bau müssten beschleunigt werden. Bislang sind auf den Inseln noch keine Auswirkungen durch Stornierungen zu spüren. Doch die Tourismusbranche in Vorpommern befürchtet, dass das A 20-Nadelöhr dem Tourismus im Osten des Landes einen Dämpfer versetzen könnte, weil Gäste aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg oder Schleswig-Holstein wegen der Staugefahr an die westliche Ostsee oder an die Nordsee ausweichen. »Wir haben Bauchschmerzen, dass uns die Gäste wegbleiben«, sagt Rügens Tourismuschef Schäfer.

»Den ersten Härtetest erwarten wir zum Jahreswechsel«, sagt Ader. Usedom sei fast ausgebucht. Während in der Woche die einspurigen Umleitungen für wenig Zeitverzug sorgten, gebe der Pendlerverkehr an Freitagen bereits jetzt einen Vorgeschmack auf die Tourismusstoßzeiten. »Schon jetzt steht man dort bis zu zwei Stunden im Stau. Im Sommer gibt es Verkehrschaos.« dpa/nd

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