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  • Jüdisches Museum Berlin

Einblicke in den Mittelpunkt der Welt

Mit einer großen Themenschau widmet sich das Jüdische Museum in Berlin Geschichte und Gegenwart von Jerusalem

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 4 Min.

Nein, Donald Trump hatte im Vorfeld keinen Kontakt zum Presseteam des Jüdischen Museums Berlin gehabt. Dass die historische Entscheidung des US-Präsidenten, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, mit der Eröffnung der neuen Ausstellung des Museums »Welcome to Jerusalem« zusammenfiel, war reiner Zufall.

Passender hätte der Zeitpunkt aber kaum sein können. Denn gleich, wie man zu Trumps Entscheidung auch stehen mag, sicher ist: Die Welt schaut in diesen Tagen ganz besonders genau auf die explosive Lage im Nahen Osten. Jerusalem, die Stadt des Friedens, hat dabei die Rolle als Kristallisationspunkt der gesellschaftspolitischen Entwicklungen inne. Vor diesem Hintergrund war der Schau der Besucherandrang bei ihrer Eröffnung am Sonntag gewiss.

»Als Zentrum der drei monotheistischen Religionen mit ihren unvereinbaren Ansprüchen ist Jerusalem seit vielen Jahrhunderten ein Brennpunkt religiöser und politischer Konflikte«, sagte Peter Schäfer, Direktor des Jüdischen Museums, zur Ausstellungseröffnung. Die Entscheidung von Präsident Trump habe dies noch einmal unterstrichen. »Unsere Ausstellung will keine Lösungen anbieten, aber sie kann Verständnis für die besondere Situation Jerusalems wecken und den Besuchern helfen, sich ein eigenes Urteil zu bilden«, so Schäfer.

Mittels einer differenzierten Draufsicht den Kosmos Jerusalem, diese wohl außergewöhnlichste Stadt der Welt, verständlich zu machen, das ist dann auch das Kernanliegen der Ausstellung im Liebeskind-Bau. Anhand ausgewählter thematischer Schlaglichter wird die Geschichte der Metropole von der Zeit des Herodes bis in die Gegenwart dargestellt. Auf rund 1000 Quadratmetern werden in zehn individuell gestalteten Räumen die vielfältigen Herausforderungen der Stadt, in der Religion, Politik und Alltagsleben so unauflöslich verwoben sind, aufgegriffen.

Es geht um Wallfahrer, frühe Zionisten, Devotionalienhändler, Kaiser Wilhelm, Osmanen, Siedler, jüdische Feministinnen, Saladin, Briten, Schwaben, orthodoxe Priester, arabische Israelis und und und. Wer die Gegenwart Jerusalems verstehen will, muss die Wege und Irrwege der Vergangenheit kennen. Historische Exponate, künstlerische Interventionen und mediale Installationen präsentieren unterschiedliche Zugänge zu den einzelnen Themenblöcken.

Im Zentrum der Schau stehen die drei monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam. Alle drei beanspruchen Jerusalem aus ihrer jeweiligen Perspektive für sich. Alle drei verfügen vor Ort über heilige Stätten. Das Judentum über die Klagemauer, den letzten Rest des von den Römern im Jahre 70 u. Z. zerstörten Tempels. Das Christentum über die um das vermutete Grab von Jesu Christi errichtete Grabeskirche. Der Islam über Felsendom und Al Aqsa-Moschee.

Die drei Heiligtümer nehmen in der Ausstellung breiten Raum ein. Ein Modell von Felsendom und Al Aksa-Moschee, eine seltene Leihgabe aus dem Bibelmuseum in Amsterdam, zeigt detailgetreu den islamischen Heiligen Bezirk Haram nasch-Scharif. Die eigens für die Schau konzipierte Mediainstallation »Augmented Temple« macht den Besucher mit der Architektur und der Funktion des Herodianischen Sakralbaus der Antike vertraut. Das 3-D-Modell zeigt die Besucherströme von Zehntausenden Menschen an hohen Feiertagen und erklärt die Architektur des Tempels. Auch die Grabeskirche ist mit einem Modell aus dem 17. Jahrhundert anschaulich vertreten.

Durch den Fokus auf die Religionen mit ihren Ansprüchen über die weltlich-politischen Konfliktlinien hinaus, verdeutlicht die Ausstellung: Jerusalem wird auf ewig ein hochsensibles Politikum bleiben, an dem sich die Geister nicht nur scheiden, sondern an dem sie sich auch immer wieder unversöhnlich gegenüberstehen werden.

»Jerusalem ist nicht nur eine Stadt, sondern eine Vorstellung. Jerusalem ist ein geistig-spiritueller Ort, der von den unterschiedlichen Seite verschieden interpretiert wird«, sagte Cilly Kugelmann, eine der Kuratorinnen. Während der Konzeption der Schau sei man immer wieder auf Fallstricke gestoßen. Schon die Frage, welche Religion man in einem Text zuerst nennt, könnte hierarchisierend und wertend ausgelegt werden, erläuterte Kugelmann.

Es sind die der Stadt über Jahrhunderte hinweg zugesprochene Heiligkeit und eine vor allem im Judentum und Christentum weit verbreitete Sichtweise Jerusalems als spiritueller Mittelpunkt der Welt, die die Stadt zum Pulverfass werden ließen und immer wieder werden lassen. Die von jüdischen, christlichen und islamischen Gläubigen gleichermaßen vorangetriebene Verehrung Jerusalems als heiliger Ort, ist für die Stadt Segen und Fluch zugleich. Segen, da sie das Einkommen der Bewohner garantiert, lebt doch die Stadt seit der Antike bis heute hauptsächlich von den Wallfahrern, Pilgern und Touristengruppen, die kontinuierlich Geld in die Kassen spülen. Fluch, da die religiöse Aufladung in Verbindung mit dem jeweiligen Wahrheitsanspruch politische Kompromisse zusätzlich erschwert. »Wie keine andere Stadt steht Jerusalem gleichzeitig und widersprüchlich für Frieden und Erlösung wie für Hass und Gewalt«, sagte Kuratorin Kugelmann.

Mit der Eröffnung der Jerusalem-Ausstellung im Altbau des Museums schloss zugleich die Dauerausstellung des Jüdischen Museums. Sie soll in den kommenden eineinhalb Jahren grundlegend überarbeitet werden. Eine Wiedereröffnung ist für Frühjahr 2019 geplant. »Wir sind in einer Umbauphase, aber mit der aktuellen Schau wird es spannend bleiben«, versprach Programmdirektorin Léontine Meijer-von Mensch.

Spannend wird es sicherlich auch in Jerusalem in den kommenden Wochen weitergehen.

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