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»Richter der zehn Gebote« vor Einzug in den US-Senat
Trotz zahlreicher Enthüllungen über angebliche sexuelle Übergriffe stehen die Republikaner um Präsident Trump zu ihrem Senatskandidaten Moore
Unter normalen Umständen wäre in Alabama die Wahl der Rechtsaußenlokalgröße Roy Moore eine ausgemachte Sache. Der Ex-Richter würde am Dienstag in der von Weißen, Evangelikalen und Republikanern dominierten Hochburg des Ultrakonservatismus mühelos den Sieg davontragen und in Washington den Senatssitz einnehmen, den Jeff Sessions aufgab. Der wurde unter Trump Justizminister. Aber im vergangenen Monat wurde dank der »MeToo«-Kampagne und wegen eines Enthüllungsartikels in der »Washington Post« Einiges bekannt.
Der angehende Staatsanwalt Moore stellte demnach in den 70er und 80er Jahren als Mann in seinen Dreißigern Teenager-Mädchen nach. Die Schilderungen in der Zeitung reichten von der Aufforderung zu sexuellen Handlungen gegenüber einer 14-Jährigen bis hin zu sexuellen Übergriffen. Moore hatte den Enthüllungen zufolge auch polizeiliches Zutrittsverbot zu einer Einkaufszone, weil er wiederholt Mädchen belästigte. Auf den Zeitungsbericht hin äußerten sich weitere Frauen. Eine berichtete, Moore habe sie damals mit den Worten bedroht, sie sei nur »ein Kind, und ich bin der Bezirksstaatsanwalt. Wenn Du jemand davon erzählst, wird Dir kein Mensch glauben.« Bis heute bestreitet Moore jegliche Anschuldigung als »Fake News« und Verschwörung der oppositionellen Demokraten.
Moore wurde USA-weit bekannt als der »Richter der zehn Gebote«, weil er diese zunächst auf einer Holztafel vor seinem Büro und Jahre später als in Granit gehauenes Monument vor dem Gerichtsgebäude platzieren ließ. Als ein Bundesgericht ihn im Jahr 2003 zur Entfernung aufforderte, ignorierte er den Beschluss. Damit stieg er bei den fundamentalistischen Evangelikalen in den gesamten USA zum Helden auf. Vor zwei Jahren geriet Moore erneut in die nationalen Schlagzeilen, als er Familienrichtern in seinem Heimatstaat die Richtlinie ausgab, homosexuellen Paaren Heiratserlaubnisse zu verweigern. Damit stellte sich Moore offen gegen die Entscheidung des Obersten Gerichts in Washington.
Auf die Enthüllungen in der »Washington Post« hin, die durch weitere Nachforschungen von Zeugen bestätigt wurden, wandten sich empörte Konservative von Moore ab. Seine ursprünglich als sicher geltenden Siegesaussichten schwanden - nicht zuletzt, weil sich führende, als moderat geltende Republikanergrößen wie der Senator aus Arizona John McCain und der Senatsführer Mitch McConnell öffentlich gegen die Stimmabgabe für Moore aussprachen. Auch Trump bezog wochenlang keine Stellung.
Doch dann schwang das Pendel wieder zurück. Den Ausschlag gab das Machtkalkül des Weißen Hauses und der Republikanerführung. Denn ein Verlust des Senatssitzes von Alabama würde den Vorsprung der Partei gegenüber den Demokraten im Washingtoner Senat auf 51 zu 49 schrumpfen lassen und damit - aus ihrer Sicht - gefährlich verringern. Dementsprechend forderte McConnell auf einmal nicht mehr den Rücktritt von Moore, sondern »die Entscheidung der Menschen in Alabama«. Die Republikanerführung nahm die Wahlkampffinanzierung für Moore wieder auf. Trump sprach sich per Twitter und drei Tage vor der Wahl bei einem Auftritt wenige Kilometer von der Grenze zu Alabama in Mississippi für ihn aus.
Laut Umfragen liegen Moore und sein demokratisches Gegenüber Doug Jones Kopf an Kopf. Schon vorher war der rechtsradikale Ex-Trump-Berater Steve Bannon in Alabama aufgetreten und hatte vor Moore-Fans »gegen Globalismus« gewettert. Moore selbst blinkte am Wochenende ganz nach rechts, als er sagte, Amerika sei zur Zeit der Sklaverei »groß gewesen, als die Familienbande stark waren« und »das Land eine Orientierung hatte«.
Geht die Wahl zugunsten von Moore aus, so ist sie als Erfolg des Trumpismus zu werten. Als solchen werden ihn die Rechtsradikalen, die sich wie Steve Bannon lautstark für Moore einsetzten, dann auch empfinden. Im Fall von Alabama spielt denn auch die Passivität seiner Gegner eine Rolle. Denn Moores Verhalten abstoßend zu finden, bedeutet nicht automatisch, einen Demokraten zu wählen. Denn so einer gilt im Kernland der Evangelikalen als Inkarnation des Bösen. Man bleibt dann eben zu Hause, hat niemanden gewählt und sonnt sich in der sich selbst attestierten gleichen Distanz zu den vermeintlichen Extremen.
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