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Hamburg versucht’s mit Expresswohnungen
Das kommunale Wohnungsunternehmen SAGA baut an allen Ecken und Enden der Elbestadt
Aus diesem Grund forciert die SAGA den Bau sogenannter Expresswohnungen. Die ersten dieser Wohnungen waren nach nur neun Monaten Bauzeit fertiggestellt, so beispielsweise das Projekt am Elfsaal mit mehr als 200 Wohnungen. Andere Bauvorhaben befinden sich auf einem guten Weg, wie die Projekte Suurheid oder Duvenacker.
In Mitte Altona entsteht sogar ein neuer Stadtteil – auch hier mischt die SAGA mit. Dort kooperiert das Unternehmen mit privaten Investoren und Genossenschaften. Die anfängliche Nettokaltmiete beträgt etwa an der Harkortstraße 6,10 Euro pro Quadratmeter. Alle Wohnungen sind barrierefrei zu erreichen, die Baukörper sind fünf- bis siebengeschossig. Insgesamt umfasst der erste Bauabschnitt in Mitte Altona ein Areal von 12,3 Hektar mit rund 1600 Wohneinheiten – jeweils zu einem Drittel Sozial-, Miet- und Eigentumswohnungen.
Die SAGA verbuchte in 2016 mit einem 150-Millionen-Euro-Überschuss stolz das »erfolgreichste operative Jahr« in ihrer Geschichte. Das Geld kann das Unternehmen gut gebrauchen, denn im Hamburger »Bündnis für das Wohnen« hatte sich die SAGA dazu verpflichtet, jährlich mit dem Bau von durchschnittlich 2000 Wohnungen zu beginnen. Die Zahlen belegen eine ansteigende Tendenz: 2013 schaffte die SAGA Unternehmensgruppe erstmals 1000 Baustarts. 2014 und 2015 wurden jeweils 1000 Wohnungen fertiggestellt und ebenso viele Bauten auf den Weg gebracht. 2016 hat der Konzern 1750 Baustarts realisiert – so viele wie zuletzt Mitte der 1970er Jahre!
Ein Blick in die Geschichte des kommunalen Wohnungsbaus hilft zu verstehen, in welcher Tradition die SAGA Unternehmensgruppe steht. In den 1920er Jahren gab es das heutige Hamburg noch nicht, sondern – bis zum »Großhamburg-Gesetz« 1937 – einen »Städtekomplex an der Niederelbe«, bestehend aus Hamburg, Altona, Wandsbek sowie Harburg und Wilhelmsburg. Das preußische Altona war damals eine wachsende Industriestadt mit rund 250 000 Einwohnern. Wie auch das benachbarte Hamburg hatte Altona die Folgen der rasant voranschreitenden Industrialisierung zu bewältigen, unter anderem Massenverelendung und Wohnungsnot.
Besonders prekär waren die Lebensverhältnisse der Arbeiter. Die Ärmsten der Armen lebten in total überbelegten, unhygienischen, häufig auch noch untervermieteten Behausungen. Durch die oft sehr enge Bebauung entlang schmaler Hofschlitze kam nur wenig Licht und Luft in die Wohnungen. Die Situation für die unterprivilegierten Teile der Bevölkerung besserte sich erst nach dem Ende der Inflation 1923, als dank staatlicher Förderprogramme der Neubau von menschenwürdigen Arbeiterwohnungen angeschoben und das in der Weimarer Reichsverfassung verbriefte »Recht auf Wohnung« mit Leben erfüllt wurde.
In diesem historischen Umfeld wurde im sozialdemokratisch regierten Altona im Jahr 1922 die »Gemeinnützige Siedlungs-Aktiengesellschaft Altona« (SAGA) mit dem Ziel gegründet, Wohnraum für einkommensschwache Schichten zu schaffen. Dieses Ziel nahm die SAGA nach 1945 erneut in Angriff. 1959 wurde die 10 000. Wohnung nach Kriegsende fertiggestellt. 1972 erhöhte sich der gesamte SAGA-Wohnungsbestand durch die Übernahme von drei städtischen Schwestergesellschaften auf 74 000.
Im benachbarten Hamburg lief es zunächst anders. Zwar existierte dort mit dem »Spar- und Bauverein« eine Tradition des gemeinnützigen Wohnungsbaus. Doch erst die in der Hansestadt starken Gewerkschaften schoben den Wohnungsbau für die Arbeiterschaft durch die Gründung eigener Unternehmen an. 1926 wurde die »Gemeinnützige Kleinwohnungsbaugesellschaft Groß-Hamburg« (GKB) aus der Taufe gehoben, die bis 1932 vor allem in den Arbeitervierteln Barmbek-Nord, in der Jarrestadt und auf der Veddel 2700 Wohnungen errichtete. Übrigens sehr zum Ärger der privaten Bauwirtschaft, die den öffentlich geförderten Wohnungsbau torpedierte.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde aus der GKB die Neue Heimat, die die Wohnungsnot nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst durch den Bau von Nissenhütten zu dämpfen versuchte. Das waren Notunterkünfte aus Wellblech, wie sie im Jahr 1916 von dem kanadischen Ingenieur und Offizier Peter Norman Nissen entwickelt wurden.
Nach dem Zusammenbruch der Neuen Heimat infolge von Misswirtschaft übernahm Ende der 1980er Jahre die Nachfolgegesellschaft GWG deren Hamburger Wohnungsbestand. »Der Mieterverein zu Hamburg hat damals durch die Mobilisierung der Öffentlichkeit maßgeblich dazu beigetragen, dass die Wohnungen nicht an private Investoren verscherbelt wurden«, sagt Siegmund Chychla, Vorsitzender des Vereins. »Für die Hamburger Mieterinnen und Mieter hat sich das mehr als bezahlt gemacht. Ohne diese Wohnungen wäre die aktuelle Situation auf dem Hamburger Wohnungsmarkt noch dramatischer.«
Seit dem Jahr 1999 betrieben SAGA und GWG die Bildung eines gemeinsamen Konzerns. Im Herbst 2016 wurde das Unternehmen in SAGA Unternehmensgruppe umbenannt. Mittlerweile hat die SAGA rund 90 Prozent der GWG-Anteile aufgekauft. Das Unternehmen ist mit 132 511 Wohnungen der größte Bestandshalter in der Hansestadt Hamburg.
Die aktuell größte Herausforderung des kommunalen Wohnungsgiganten ist es, beim beschleunigten Bauen trotz ständig steigender Kosten Qualität zu liefern. Dazu seien, so SAGA-Vorstand Thomas Krebs, »intelligente Konzepte« vonnöten: »Unsere Antwort darauf ist die Entwicklung eines SAGA-Systemhauses, das wir in seinen verschiedenen städtebaulichen Figuren im jeweiligen Quartierskontext zur Anwendung bringen wollen.« Systemisches Bauen wie in der Gründerzeit soll das Wohnungsproblem also lösen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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