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Was wir Musik nennen

Peter Broderick & Högni

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.
Heute, wo die Popmusik der Gegenwart freimütig eingesteht, keinerlei Zweck zu haben als den, angenehm zu klingen und die strapazierten Nerven überarbeiteter Büromenschen zu beruhigen, muss man kein großes Geheimnis daraus machen, dass sie tot ist. In den Regalen der sogenannten Kulturkaufhäuser liegt die sogenannte verträumte Entspannungsmusik stapelweise: Neoklassik für die allmorgendlichen Tai-Chi-Übungen, kontemplative Pianomusik, passend zum Nachmittagsjasmintee, oder gehörgangschmeichelnde Kuschelweich-Electronica. Hintergrund- und Stimmungsmusik für jeden Zweck. Meinem Zahnarzt würde diese Musik sicher gefallen.

Peter Broderick macht solche Musik. Das Cover-Artwork des neuen Albums des US-amerikanischen Multiinstrumentalisten Broderick, eine von ihm selbst gefertigte Collage, zeigt, auf weißem Grund, verschiedenfarbige Papierschnipsel in unterschiedlichen Größen und Formen: Rot, Orange, Violett, Blau, Gelb usw. Jeder von ihnen repräsentiert ein Stück auf der Platte. Broderick tritt schon lange gemeinsam mit der dänischen Folk-Soul-Breitwandpopgruppe Efterklang auf, zu der er mit seinem Zuckerwattesound auch gut passt. Die neun Tracks seines neuen Soloalbums sind Auftragsarbeiten und wurden ursprünglich für Tanztheaterproduktionen, für Filme, Hochzeiten und Modenschauen geschrieben.

Der Künstler selbst erklärt, sich an den Hörer wendend, zu seinem Werk: »Hoffentlich fühlt man, was mir diese Sache, die wir Musik nennen, bedeutet.« Der Norddeutsche Rundfunk meint: »Freunde von schönen, kurzweiligen Melodien werden sich über diese Platte freuen.« So kompakt kann Musikkritik heute sein.

Freunde von Männerchören dagegen werden sich über die neue Platte des isländischen Sängers und Komponisten Högni Egilsson freuen, die mit einem Männerchor beginnt. Egilsson komponiert logischerweise auch Stücke fürs Theater. Der eine oder die andere an elektronischer Musik Interessierte wird den Künstler möglicherweise als Mitglied des Techno-Projekts GusGus kennen. Hier nun, auf seinem Solodebüt, glänzen die Streicher und die Männerchöre, während Högni singt und nervöse Klick-Klack-Elektronikbeats raspeln, tuckern und rattern. Tuckern und rattern tun sie vor allem deswegen, weil es auf diesem Konzeptalbum um jene zwei Lokomotiven geht, die zwischen 1913 und 1917 »Wagenladungen an Stein und Kies für den Bau des Hafens von Reykjavík an die Küste Islands transportierten«, wie der dem Album beigelegte Reklamezettel informiert.

Was muss man sonst noch wissen über Högni Egilsson? Dass er »immer sportlich-modisch gekleidet ist, ein warmes Lächeln und seine unverkennbaren langen blonden Locken« zur Schau stellt (Quelle: Internet).

Peter Broderick: »All Together Again« (Erased Tapes)

Högni: »Two Trains« (Erased Tapes)

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