Maria Rosalia Muñoz ist eine fleißige Frau. Seit Stunden schon arbeitet die 50-Jährige ohne aufzusehen auf einem der riesigen Erdbeerfelder, die das Bild der südwestspanischen Provinz Huelva prägen. Rund 30 Euro bekommen sie und die acht anderen Pflückerinnen vom Plantagenbetreiber für jeweils 50 Kilogramm Früchte - und die wollen erst einmal geerntet sein.
Die Frauen pflücken die Erdbeeren schnell und präzise in bereit stehende Stiegen. An Sammelstellen werden die Früchte sortiert und gewogen, bevor man sie in wartenden Fernlastern verstaut. Noch am selben Tag geht die Reise in Richtung Mitteleuropa, wo die Erdbeeren bereits am nächsten Morgen in den Regalen der Supermärkte liegen.
Für Maria Rosalia bedeutet die Erdbeersaison, die im südwestlichsten Zipfel Andalusiens dank des milden Klimas und des Anbaus unter Folien oft schon Ende Dezember beginnt, eine willkommene und notwendige Verdienstmöglichkeit. Sie ist erst vor ein paar Jahren mit ihrem Mann von Nerva, dem ehemaligen Kupferbergbauzentrum, hierher an die Küste gezogen. Beide hatten oben am Rio Tinto ihre Arbeit verloren, als die letzten Minen geschlossen wurden, weil sie angeblich nicht mehr rentabel waren. Statt Bergarbeitern bevölkern jetzt nur noch Touristen das Minengebiet, das in ein Freilandmuseum verwandelt wurde.
Die Arbeit auf den Erdbeerfeldern ist sehr schwer, denn im Süden Andalusiens brennt die Sonne auch im März oft schon erbarmungslos vom Mittagshimmel. »Ich bin aber froh, dass ich diese Arbeit habe«, sagt Maria mit Blick auf andere Plantagen in der Region, die nur noch Saisonarbeitskräfte aus Nordafrika oder Osteuropa beschäftigen. »Denen wird noch weniger bezahlt«, weiß sie. Vor allem die Marokkaner, oft illegal eingewandert, werden schamlos ausgebeutet. Sie hausen meist in menschunwürdigen Unterkünften am Rande der Erdbeerfelder.
Für Besitzer und Pächter hat sich der Erdbeeranbau zu einem einträglichen Geschäft entwickelt. Von einem Hektar Fläche, so wird geschätzt, können sie pro Saison rund 10 000 Euro erwirtschaften. Kein Wunder, dass sich die Erdbeeranbaufläche in den letzten Jahren geradezu explosionsartig ausgedehnt hat. Oft wurden Pinienwälder illegal abgeholzt oder abgebrannt. Natur- und Umweltschützer schlagen Alarm: Binnen fünf Jahren sollen rund 2000 Hektar Wald den Erdbeerplantagen geopfert worden sein. Die Wälder befinden sich meist in Gemeindeeigentum, werden jedoch meistbietend verpachtet und von den neuen Nutzern für den Erdbeeranbau »verändert«.
Nach Erkenntnissen der spanischen Sektion des Umweltverbandes World Wide Fund for Nature (WWF) wurden in den Pinienwäldern um Huelva allein im Jahre 2005 rund 50 Brände absichtlich gelegt. Die Behörden drücken oft beide Augen zu. Derzeit bauen in der Provinz etwa 2000 Farmer auf 6000 Hektar Fläche Wintererdbeeren an und ernten rund 200 000 Tonnen der etwas wässrig schmeckenden spanischen Sorte Freson.
Der intensive Erdbeeranbau, warnt WWF, beschert der Region unabsehbare Gefahren. Das hängt vor allem mit dem hohen Wasserbedarf der unter Folientunneln gezogenen Pflanzen zusammen. Erdbeeren verbrauchen drei Mal so viel Wasser wie Getreide. Den entsprechenden Bedarf - in der Provinz rund 20 Millionen Kubikmeter in einer Saison - decken die Plantagen im trockenen Südspanien aus immer tieferen Brunnen, die zu 70 Prozent illegal gegraben werden. Man schätzt ihre Zahl mittlerweile auf über 10 000.
Die Folge ist ein dramatisches Sinken des Grundwasserspiegels. Während Wasser vor zehn Jahren noch in sieben Meter Tiefe gefunden wurde, muss man heute schon 30 Meter und tiefer bohren, um fündig zu werden.
Das wiederum gefährdet den Nationalpark Doñana, eines der wichtigsten europäischen Feuchtgebiete mit einzigartiger Pflanzen- und Tierwelt. Es dient Millionen Zugvögeln als Zwischenstation auf dem Weg von und nach Afrika. Eine zusätzliche Gefahr für den Wasserhaushalt der Provinz Huelva stellt der übermäßige Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden auf den Erdbeerplantagen dar.
Der im wahrsten Sinne des Wortes flächendeckende Einsatz von Folien im zweitgrößten Erdbeeranbaugebiet der Welt bewirkt, dass die Provinz im Februar oder März aus der Vogelperspektive wie ein riesiges Treibhaus aussieht. Statt natürlicher Farben dominieren endlose weiße Flächen einer nahezu sterilen Welt. Die Folien sind jedoch nicht dauerhaft: Jedes Jahr fallen rund 4500 Tonnen Plastikabfall an, die eigentlich wiederverwertet werden müssten, oft aber wild entsorgt werden und Moore und Lagunen vermüllen.
Für Maria Rosalia und ihre Kolleginnen ist der Erdbeeranbau im armen Süden Andalusiens ein Segen, die längerfristigen Schäden sind indes nicht mehr zu übersehen. Einen Ausweg aus dem Dilemma sehen Experten im Einsatz moderner Technologien, durch den der Verbrauch von Wasser und Düngemitteln verringert werden könnte. Zuerst und vor allem aber müssten die Plantagenbesitzer umdenken und verstehen, dass Wald und Natur auch für ihre Zukunft lebensnotwendig sind.
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