Kultiviertes Steak

Wissenschaftler sehen in Fleisch aus dem Labor eine Alternative zur Massentierhaltung

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch wenn vegetarische und vegane Alternativen im Supermarktregal inzwischen eher Regel als Ausnahme geworden sind, bleibt der Deutsche insgesamt ein Gewohnheitstier: Nach Branchenangaben landeten 2016 im Schnitt 59 Kilogramm Fleisch auf dem Teller. Der Konsument hierzulande isst etwa doppelt so viel Rind, Schwein und Geflügel wie der durchschnittliche Rest der Welt. Auch deshalb gilt in aufstrebenden Ländern wie China und Indien Fleischkonsum als Ausdruck für Wohlstand. Die Folgen für den Klimaschutz sind verheerend: Laut Zahlen der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO entfallen 14,5 Prozent aller weltweiten Treibhausgasemissionen auf die Haltung und Verarbeitung von Tieren. Die Nutztierhaltung trägt damit mehr zum Klimawandel bei als der Verkehr.

Weil ein Ende des Fleischhungers unwahrscheinlich erscheint, suchen Forscher nach Alternativen. Ihre Hoffnung: Anstatt Fleisch durch Tierhaltung zu gewinnen, soll die Grundlage für Steak, Schnitzel und Hamburger künftig aus dem Labor kommen. Was sich nach Zukunftstechnik anhört, ist vom Ansatz her sogar älter als die industrielle Massentierhaltung. »Wir werden von dem Aberwitz abkommen, ein ganzes Huhn zu züchten, um die Brust oder den Flügel zu essen, und diese stattdessen in einem geeigneten Medium züchten«, prognostizierte Winston Churchill bereits 1931.

In der Gegenwart des Jahres 2018 ist die Idee des britischen Staatsmannes greifbare Realität. Längst ist ein Wettlauf darum entbrannt, wem es als erstes gelingt, Fleisch im Labor herzustellen, das optisch wie auch geschmacklich an das Original heranreicht und sich außerdem kostengünstig im großen Maßstab produzieren lässt. Das Versprechen: Die Produktion von Laborfleisch soll bis zu 90 Prozent weniger Treibhausgase verursachen. Auf Interesse stößt sogenanntes In-vitro-Fleisch nicht mehr nur bei Klima- und Tierschützern.

Auch Fleischkonzerne wie der US-Riese Tyson Foods oder der Agrarhändler Cargill investieren Millionen in mögliche Alternativen aus dem Reagenzglas. In Deutschland kündigte der Geflügelkonzern PHW vergangene Woche an, sich an dem israelischen Start-up Supermeat zu beteiligen. Die Pläne klingen ambitioniert: Bereits in drei Jahren soll künstlich erzeugtes Fleisch an die ersten Restaurants gehen, in zwei bis fünf Jahren sollen die Kosten so gering sein, dass mit der industriellen Großproduktion begonnen und somit auch der Einzelhandel beliefert werden könne. Welche technologischen Sprünge die Forschung macht, zeigt ein Rückblick von nur vier Jahren. Damals präsentierte Mark Post von der Universität Maastricht eine im Labor hergestellte Rindfleischfrikadelle. Die Kosten des damals noch nicht gerade günstigen Burgers von einer Viertelmillion Euro finanzierte Google-Mitbegründer Sergey Brin. 2017 teilte das beteiligte Unternehmen Mosa Meat mit, die Produktionskosten würden inzwischen nur noch bei etwa 10 Euro liegen.

Egal ob im Labor Rind-, Schweine- oder Geflügelfleisch gezüchtet wird, die derzeit gängigsten Verfahren funktionieren ähnlich. Grundlage sind lebenden Tieren entnommene Muskelzellen, die in einer Nährlösung zu größeren Muskelfasern heranwachsen. Ein Problem aus Sicht von Tierrechtlern bleibt noch zu lösen: Teil der Nährlösung, etwa zur Zucht von Rindfleisch, bildet das Blut von Kälberföten, zu deren Gewinnung das Muttertier sterben muss. Auch dafür soll es bald Alternativen auf Pflanzenbasis geben, weshalb Tierrechtsorganisationen wie Peta oder Vier Pfoten die Forschung begrüßen. »Wenn Retortenfleisch ein Weg sein kann, den großen Fleischhunger vieler Menschen auf ökologisch vertretbare Weise zu stillen, sollten wir diese Möglichkeit nicht von vornherein ausschließen«, argumentierte auch der Grünen-Politiker Harald Ebner in der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Der Deutsche Bauerverband zeigt sich dagegen skeptisch. Als Reaktion auf die PHW-Investition hieß es, das »System Tier« sei »im Moment noch viel effizienter«.

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