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  • Protest beim SPD-Parteitag zu Sondierungen

Die ganze Zerrissenheit auf 200 Metern

Von Bergarbeitern bis zu Umweltschützern - verschiedenste Gruppen geben den Parteitagsdelegierten ihre Wünsche mit auf den Weg

  • Sebastian Weiermann, Bonn
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Teilnehmer des SPD-Parteitages in Bonn müssen durch ein Protestspalier. Der längliche Platz vor dem Bonner World Conference Center ist ideal für die verschiedenen Gruppierungen, die den Delegierten noch etwas mitzuteilen haben. Am weitesten vom Eingang der Halle entfernt stehen etwa 50 Geflüchtete. Sie rufen immer wieder: »Wir wollen unsere Familien!«

Mohammed ist einer von ihnen. Er ist Anfang 40 und kommt aus Syrien. Nach Deutschland ist er alleine gekommen. Seine Frau und die drei Kinder hätten die Flucht nicht geschafft, erzählt er. »Deutschland ist ein gutes Land«, findet Mohammed. Aber wenn es zu der von CDU und SPD ausgehandelten Regelung kommen sollte, wonach jeden Monat nur 1000 Menschen zu ihren Familien nachziehen dürfen, dann wird er überlegen, ob er doch zurück nach Syrien geht. Noch länger ohne seine Lieben zu sein, ist keine Option für ihn. Im syrischen Bürgerkrieg leben allerdings auch nicht.

Ein paar Meter neben den Geflüchteten stehen Aktivisten von Greenpeace und vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Sie wollen die Sozialdemokraten noch einmal auf den Klimawandel hinweisen und darauf, dass Deutschland die Klimaschutzziele einhalten müsse. Eine junge Greenpeace-Frau erklärt, man habe einfache und klare Forderungen an die Delegierten: »Raus aus der Kohleverstromung bis 2030!« Die ältesten und schmutzigsten Kraftwerke sollten schon bis 2020 vom Netz genommen werden, fordert die Umweltaktivistin. Sie erinnert auch daran, dass die CDU in den Jamaika-Verhandlungen einer kurzfristigen Abschaltung von Kraftwerkskapazitäten in Höhe von sieben Gigawatt schon zugestimmt hatte.

Ein paar Meter weiter, am anderen Ende des Platzes, stehen Mitglieder der Bergbaugewerkschaft IG BCE aus dem Rheinischen Braunkohlerevier. Sie fordern das Gegenteil von dem, was die Klimaaktivisten wollen. Mit lautem Trommeln machen die Bergarbeiter auf sich aufmerksam. Den Delegierten des Parteitages müsse klar sein, sagen sie, dass sie über die »Zukunft der Industriearbeit« in Deutschland entscheiden. Die Energiewende müsse »sozial gerecht« und »wirtschaftlich vernünftig« umgesetzt werden, heißt es in ihrem Flugblatt.

Von den Trommeln der Bergarbeiter lässt sich ein Juso zu ein paar spitzen Bemerkungen hinreißen. Argumente hätten die »Kohlemänner« nicht, könnten nur laut sein, sagt er auf der Bühne draußen. Die Jusos haben - in Anlehnung an Alexander Dobrindts Spruch - zu einem »Zwergenaufstand« aufgerufen. Rote Zipfelmützen verteilen sie an Delegierte und Gäste des SPD-Parteitages. Auch im Saal sind vereinzelte Zipfelmützen zu sehen. Vor der Bühne auf einem Lkw läuft laute Musik. Ein »No-GroKo-Rap« wird abgespielt, aber auch Partyklassiker wie »Macarena«. Ein Liedermacher hat einen Song gegen das »Schmusen von Martin und Angela« geschrieben.

Die SPD müsse als »progressive Kraft« die Opposition anführen, sagt eine Jungsozialistin aus Sachsen. Man dürfe der AfD nicht die Oppositionsführerschaft überlassen. Die rechte Partei würde dann gestärkt und die Sozialdemokratie weiter geschwächt. »Egal ob Bürgerversicherung, Klimapolitik oder die Flüchtlingspolitik, die Ergebnisse der GroKo-Verhandlungen stehen nicht für das, wofür wir Wahlkampf gemacht haben«, erklärt ein Juso.

Der Protest auf dem Parteitag zeigt deutlich, wie tief die Widersprüche in den verschiedenen Milieus mit einer Verbindung zur Sozialdemokratie sind. Da gibt es die Gewerkschafter, die für ihre Arbeitsplätze in der Braunkohle kämpfen, aber genauso Umweltschützer, die die Kraftwerke lieber heute als morgen schließen wollen. Bei vielen anderen Themen ist es ähnlich. Unabhängig von der Koalitionsfrage fehlt der SPD derzeit eine Vorstellung davon, wie die Gesellschaft aussehen soll. Diese Debatte muss sie allerdings führen, um nicht zerrissen zu werden.

Einige Organisatoren des »Zwergenaufstandes« gehen später zu den anwesenden Geflüchteten, laden sie ein, sich an ihrer Kundgebung zu beteiligen und von ihrer Bühne zu sprechen. Nach kurzen Beratungen nehmen Mohammed und die anderen das Angebot an. Ihre Rede zum Familiennachzug bekommt viel Zuspruch bei den Juso-Zwergen.

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