Akropolis

Kommen wir gleich zum Wesentlichen: Es ist schön, zu sehen, wie zeitgeistresistent sich die griechische Küche in Berlin präsentiert. Während der Chinese, der größtenteils schon immer Vietnamese war, die Mimikry in den letzten Jahren ablegen konnte und, vom Bratnudel- und Eierreisfluch befreit, jetzt auf alle Suppen Koriander legt, ist der Grieche immer der Grieche geblieben. Angefangen beim Interieur. Da sind Korbflaschen an rau verputzte Wände genagelt, die bis zur Hälfte mit Steinkacheln in geschwungener Linie dekoriert sind. Es gibt die Ölgemälde der Akropolis - die Perspektive mal mehr, mal weniger realistisch. Und da sind die korinthischen Säulen aus Styropor - so genau ist das allerdings nicht zu sagen, denn noch nie habe ich mich getraut, daran zu klopfen.

Die Frage, was zuerst da war, der Grieche, wie wir ihn kennen, oder der Kunde, der wollte, dass man ihm ein Klischee vorgaukelt, ist nie eindeutig geklärt worden. Und so nahmen wir jahrzehnte lang die Aubergine in fetttriefender Knoblauchsoße als Vorspeise hin, dazu Tsatsiki, nahmen die Gyrosgrillplatte, vergraben unter Tsatsiki als sakrosankt an. Mehrere Familiengeburtstage in unterschiedlichen Lokalen dieser Art konnten nicht lügen - bis die ersten Urlaube auf den griechischen Inseln die Annahme, dabei würde es sich um authentische Küche handeln, widerlegten. Zu keinem Essen wurde hier ungefragt Tsatsiki serviert, Gyros stand recht selten überhaupt auf der Karte. Fortan blieb nur noch die Frage: Waren die griechischen Restaurants in Deutschland die Summe der Lügen, auf die sich die Mehrheit geeinigt hatte? Nein, denn es gibt einige, die zaghaft Aufklärung betreiben. Eine Lokalität dieser Art befindet sich in Karlshorst. Die Einrichtung ist allerdings den guten alten Zeiten treu geblieben. Mächtige Kiefernholztische und Sitzbänke dominieren den enormen Gastraum, dazu monströse Blumengestecke und in die Decke integrierte Halogenstrahler. Und auch der Name reiht sich ein in die Klassiker der hellenischen Restaurantgeschichte: Syrtaki. In der Reihe Apollon - Poseidon - Akropolis - Kos (gerne kombiniert mit dem Zusatz »Taverna«) ist das aber eher unteres Mittelfeld.

Die Kellner, stets in Hektik, nehmen die Bestellung (Souflaki) prompt entgegen. Der Chardonnay kommt zuerst, ist einen Tick zu warm und dafür sehr griechisch. Die (eingebildete) Harznote, sonst nur dem Retsina eigen, dominiert den Wein, auch wenn die Begleitung behauptet, man spinne sich da was zurecht. Alsbald folgen die Spießchen aus Schweinefleisch. Sie sind hervorragend gewürzt, die Balance aus Oregano, Salz und Pfeffer gibt allen drei Platz, sich zu entfalten. Das Fleisch ist hochwertig, zwar für Schwein ungewöhnlich medium gegrillt, aber das Experiment ist geglückt, weshalb auch die Angst vor einer Trichinella-Infektion plötzlich keine Rolle mehr spielt. Saftig schmelzen die Stückchen im Mund - kein Fettfaden bindet gleich mehrere aneinander, sodass man beim Schlucken fast erstickt. Allein das kleine verschämte Schälchen Tsatsiki am Tellerrand verrät, dass der Abschied von alten Zeiten schwerfällt.

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