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Raus aus den Kartoffeln ...

Martin Schulz verzichtet nach interner Kritik nun doch aufs Außenministeramt

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

In der SPD scheint derzeit ein Funke zu genügen, um eine Explosion hervorzurufen. Dieser Funke war am Freitag Sigmar Gabriel. Die lodernde Empörung über seine Zurücksetzung in den Personalplanungen für eine nächste Großen Koalition führte zumindest mittelbar dazu, dass Parteichef Martin Schulz am Nachmittag seine erst Stunden vorher bekannt gemachte Absicht über den Haufen warf, selbst Außenminister zu werden. Von Schulz’ ehrgeizigen Vorhaben für sich und seine Partei könnte damit nur ein zwölfmonatiger, unglücklich endender Ausflug in die Bundespolitik bleiben.

Sigmar Gabriel, geschäftsführender Außenminister, hatte sich in einem Interview bitter darüber beklagt, dass seine Arbeit in der SPD-Führung offenbar wenig geschätzt werde, der gegenseitige Umgang respektlos sei und ein gegebenes Wort nichts mehr zähle. Welches Wort er dabei meinte, sagte Gabriel nicht, aber in den Medien wurde spekuliert, dass es um ein von Parteichef Martin Schulz gegebenes Versprechen gegangen sei, dass Gabriel in einer eventuellen neuen Großen Koalition seinen Posten als Außenminister behalten werde. Die Verabredung könnte noch aus der Zeit des damaligen Wechsels an der Parteispitze stammen. Vor einem Jahr hatte Gabriel den Parteivorsitz für Schulz freigemacht, um die Chancen der SPD bei der Bundestagswahl zu erhöhen.

Am Mittwoch waren die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD abgeschlossen worden. In der bekannt gewordenen Verteilung der Ministerämter spielte Gabriel keine Rolle; dafür hatte Schulz mitgeteilt, Außenminister werden und den Parteivorsitz an die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Andrea Nahles abgeben zu wollen. Offenbar hat dies in der Partei für Verstimmung gesorgt - wohl auch, weil Schulz damit jede Verantwortung abgestreift hat und Sigmar Gabriel zu opfern bereit war. Vizekanzler soll nach bisheriger Planung der für das Finanzministerium vorgesehene Hamburger Regierungschef Olaf Scholz werden.

Für Gabriel könnte es sich damit als vorteilhaft erweisen, dass er auf den Tisch gehauen hatte. Auch wenn er seiner Tochter dann erklären müsste, dass es mit der vielen schönen Zeit für die Familie leider doch nichts wird. Diese hatte er in seinem Empörungsinterview mit den Worten zitiert: »Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast Du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.«

Der gab in einer Erklärung am Nachmittag bekannt, seine persönlichen Ambitionen hinter die Interessen der Partei stellen zu wollen. Martin Schulz wörtlich: Er erkläre »hiermit meinen Verzicht auf den Eintritt in die Bundesregierung und hoffe gleichzeitig inständig, dass damit die Personaldebatten innerhalb der SPD beendet sind«.

Was die SPD-Spitze um jeden Preis verhindern will, ist ein Scheitern der Großen Koalition beim SPD-Mitgliedervotum - womöglich, weil die Basis ihr die Personaldebatten übelnimmt. Schon vorher hatten Beobachter spekuliert, dass Schulz die SPD mit dem Rücktritt vom Parteivorsitz zu befrieden versuche, um die inhaltlichen Debatten nicht zu erschweren. Doch das ging offenkundig nach hinten los. Am Freitag war die Rede von einem Ultimatum, das Teile des Parteivorstandes ihm bis zum Nachmittag gestellt hätten, auf seine Außenministerpläne zu verzichten. Die Nachrichtenagentur dpa zitierte den Chef des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Mike Groschek, mit den Worten: »Es gibt Diskussionen um die Glaubwürdigkeit.« Dem müssten sich Schulz und der gesamte Parteivorstand vor dem Mitgliederentscheid der SPD stellen. Groschek schilderte Gefühlswallungen und wütende Reaktionen an der Basis und zeigte zugleich Verständnis für diese. Schulz wurde seit Mittwoch auch immer wieder angekreidet, dass er mit deinem Vorhaben Außenminister zu werden, Wortbruch begehe. Nach der Bundestagswahl hatte er deutlich ausgeschlossen, in ein Bundeskabinett Angela Merkel einzutreten.

Nach seiner Erklärung machte sich in der SPD vorsichtige Erleichterung breit. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zollte Schulz »allerhöchsten Respekt« für den Verzicht. Auch seine designierte Nachfolgerin an der Parteispitze, Andrea Nahles, äußerte »höchsten Respekt und Anerkennung« und bescheinigte ihm beachtliche menschliche Größe. Allerdings befindet sich Schulz in ähnlicher Situation wie Gabriel, der nach den Querelen auch nicht als gesetzter künftiger Außenminister gelten kann. Die von der SPD-Führung geplanten Regionalkonferenzen könnten nunmehr von Personaldebatten freigehalten werden, ob Schulz es nun noch selbst übernimmt, dort für den Koalitionsvertrag zu werben, blieb am Freitag zunächst unklar.

Derweil begannen die parteiinternen Gegner der Großen Koalition mit ihrer Werbetour gegen das Bündnis mit der Union. Am Freitagnachmittag hatte Juso-Chef Kevin Kühnert seinen ersten Auftritt in Leipzig. Eigentlich wollten die GroKo-Gegner durchsetzen, dass Vertreter beider Positionen auf allen Veranstaltungen gleichberechtigt ihre Argumente austauschen sollten. Damit drangen sie jedoch nicht durch. Über den Stil der Führung beklagte sich die Sprecherin der Parteilinken DL21 Hilfe Mattheis am Freitag erneut: Dieser lasse nach den Personalquerelen die Partei als einen Selbstbedienungsladen erscheinen. »Der neueste Coup ist nun anscheinend der Verzicht auf das Außenamt. Dieser personelle Stil lässt einen sprachlos zurück.«

Gestern hatten SPD-Mitglieder in einem Offenen Brief eine Urwahl der neuen Parteispitze gefordert. Juso-Chef Kevin Kühnert gehörte nicht zu den Unterzeichnern, wie fälschlicherweise gemeldet. »nd« bittet um Entschuldigung.

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