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Eine linke Idee

Das Bedingungslose Grundeinkommen kann die Gesellschaft nachhaltig verändern - eine Replik auf Erika Maier

  • Edith E. Preiss
  • Lesedauer: 7 Min.

Der grundsätzliche Fehler einiger Überlegungen zum Grundeinkommen besteht häufig darin, verschiedene Grundeinkommens Modelle zu vermischen. Die Gegenargumente und Befürchtungen über die Auswirkungen beziehen sich dann auf mehrere, meist nicht genannte Modelle. Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Grundeinkommen in der LINKEN entwickelt seit der Parteigründung ein linkes Grundeinkommensmodell im Einklang mit der Programmatik der Partei.

Wie wäre es, bei unserem linken Modell zu bleiben und sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen?

Zur Person

Edith E. Preiss, Jahrgang 1950, ist Industriefachwirtin und Kommunikationstrainerin im Ruhestand. Seit 2008 gehört sie dem Sprecherrat der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen in der Linkspartei an.

Mit dem hier veröffentlichten Text antwortet Edith E. Preiss auf einen Beitrag der Wirtschaftsprofessorin Erika Maier (»Der Mensch braucht Arbeit«, »nd« vom 16.1. 2018). Darin hatte sich Maier kritisch mit der Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen auseinandergesetzt und erklärt, dies sei kein linkes Projekt. Maiers Artikel finden Sie online unter: dasND.de/grundeinkommen

Zum Weiterlesen: die-linke-grundeinkommen.de

Das Grundeinkommen nach dem Modell der BAG Grundeinkommen verträgt sich gut mit einer konsequenten Arbeitszeitverkürzung und ausgezeichnet mit finanziell unprofitablen Umweltanliegen wie Repair Cafés, Nebenerwerbs-Landwirtschaft und kleinen Geschäften, die ohne Verpackungsmüll verkaufen. Und einige Erwerbsarbeitsplätze, wie die in der Waffenfabrik oder im Callcenter, könnten »abgewählt« werden; die Gesellschaft wird das nicht vermissen.

Überlegungen zum Arbeitsbegriff

Arbeit ist nicht nur Erwerbsarbeit. Das wird offenbar sehr leicht vergessen. Der größte Teil, der in unserer Gesellschaft geleisteten Arbeit wird ohne Entlohnung erbracht: Familienarbeit, politisches und anderes ehrenamtliches Engagement sind gute Beispiele dafür. Im Verlauf der industriellen Revolution ab dem 19. Jahrhundert wurde Arbeit immer mehr mit Erwerbsarbeit gleichgesetzt; wenn wir uns bewusst machen, dass diese Zuschreibung erst so kurze Zeit in der Geschichte besteht und zugleich nur in den Industrienationen, öffnet sich der Raum für eine umfassendere Bewertung von Arbeit. Der Anbau im eigenen Garten, die Nachbarschaftshilfe, spezielle Kenntnisse wie Schneidern für sich und die Freunde, berufliche Kenntnisse der Verwandtschaft ohne Bezahlung zur Verfügung stellen, die im Rahmen von Volkshochschulen und anderen Bildungsträgern gut angenommenen Weiterbildungsmöglichkeiten mit Zahlungspflicht statt Entlohnungsanspruch, dazu ohne beruflichen Bezug, zeigen eine andere Seite der Natur des Menschen. Mensch muss sich nicht auf die Erwerbsarbeit beziehen, um tätig zu werden.

Der Sozialphilosoph André Gorz sagte dazu: »Das unabdingbare Bedürfnis nach einem ausreichenden und sicheren Einkommen ist eine Sache, das Bedürfnis zu werken, zu wirken und zu handeln, sich an anderen zu messen und von ihnen anerkannt zu werden, eine andere, die weder in der ersten aufgeht noch mit ihr zusammenfällt. Der Kapitalismus dagegen verkoppelt diese beiden Bedürfnisse systematisch, verwirrt und verschmilzt sie und gründet darauf die Macht des Kapitals und seine ideologische Vorherrschaft ...«

Es gibt ein moralisches, gesetzlich aber nicht einklagbares Recht auf Arbeit. Das impliziert aber nicht die Pflicht beziehungsweise den Zwang zu einer bestimmten Lohnarbeit. Und schon gar nicht zu Formen der Solidarität, die von anderen bestimmt und eingefordert werden. Dagegen spricht auch das Grundgesetz mit Artikel 2 in Verbindung mit Artikel 12.

Frau Professor Maier schrieb: »Heute wird dieses Verständnis von Arbeit für die Gesellschaft zu Unrecht als ein Relikt aus alten Zeiten diskriminiert. Soziologen und Mediziner wissen, was die Aussonderung aus dem Arbeitsprozess mit vielen dieser Menschen macht: Depressionen, Fettleibigkeit, Diabetes.«

Erwerbslosigkeit und die falsche Annahme, dass nur der Mensch etwas wert ist und ein Recht auf Leben hat, der für andere erwerbsarbeitet, die Schikanen und die Bevormundung der Sozialbürokratie, das Leben in Armut wirken sich politisch und menschlich aus: In tiefer Hoffnungslosigkeit, Beschämung und Krankheit. Sozial geachtete, finanziell ausreichend gesicherte nicht Erwerbstätige, zum Beispiel Ruheständler*innen, Menschen, die Familienarbeit oder ehrenamtliche Arbeit leisten - sind auch sie von solchen Folgen bedroht? Wie ist es mit denen, die im Luxus leben, die sich nur dem Vergnügen widmen? Falls sie nicht im gleichen Maße betroffen sind, ist der Gedanke falsch. Und die angemahnten schlimmen Folgen Depression, Fettleibigkeit und Diabetes sind nicht dem Fehlen der Erwerbsarbeit, sondern - falls sie zutreffen - vielmehr den Begleitumständen wie Armut, Angst und Verlust der Autonomie zuzuschreiben.

Linke Ideale und Umverteilung

Wenn wir akzeptieren, dass die sanktionsfreie Mindestsicherung, die Kindergrundsicherung und die solidarische Mindestrente - wie im Programm der Linken festgeschrieben - linkes Ideengut sind, dann gilt das auch für das Bedingungslose Grundeinkommen.

Wie unterscheidet sich die sanktionsfreie Mindestsicherung vom Bedingungslosen Grundeinkommen? Das Minimum ist gleich, es gibt in beiden Modellen keine Sanktionen. Ein Unterschied: Die Erwerbstätigen erhalten ebenso das Grundeinkommen, das Lohnabstandsgebot ist gewährleistet und der Gedanke, dass einige Bürger*Innen etwas bekommen, was anderen und mir vorenthalten bleibt, ist passé.

21 Prozent der Kinder leben dauerhaft in Armut und 10 Prozent leben an der Armutsgrenze und rutschen immer wieder in Armut. Kinderarmut abzuschaffen, die soziale Teilhabe zu gewährleisten - das ist Teil der linken Programmatik und Teil des Modells der BAG Grundeinkommen.

Was ist mit den Rentner*Innen, die verdeckt arm leben oder mit der Grundsicherung aufstocken? Sie erhalten mindestens ebenso viel, wie als solidarische Mindestrente verlangt.

Und die Reichen? Ist es nicht ungerecht, dass auch ihnen das Grundeinkommen ausgezahlt wird? Alle, die mehr als 7000 Euro im Monat Einkommen erzielen, zahlen im Modell der BAG Grundeinkommen der Linken durch die vorgesehene Grundeinkommensabgabe mehr zurück, als sie erhalten. Die Umverteilung von oben nach unten ist eine erwünschte Absicht, die unserem Parteiprogramm entspricht.

Grundeinkommen und Sozialleistungen

Frau Professor Maier fragt: »Was bleibt von den 1000 Euro, wenn alle Sozialleistungen wegfallen?« Nach dem Konzept der BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE bleiben die meisten Sozialleistungen. Abgeschafft werden die Grundsicherung für Erwerbslose, Sozialhilfeleistungen, BAföG, Kindergeld und das Ehegattensplitting, weil diese Leistungen mit einem Grundeinkommen überflüssig werden. Erhalten bleiben die gesetzliche Rente (mit Umbau des Rentensystems, der bisherige Bundeszuschuss entfällt), die Kranken- und Pflegeversicherung (Umbau zur gesetzlichen solidarischen Bürger*Innenversicherung), die gesetzliche Erwerbslosenversicherung und die gesetzliche Unfallversicherung. Darüber hinaus bleiben die Hilfe für besondere Lebenslagen und das Wohngeld erhalten. Die Sozialausgaben steigen von etwa 31 Prozent auf etwa 58 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Nach der Variante als negative Einkommenssteuer berechnet, von rund 31 Prozent auf 42 bis 43 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Grundeinkommen und Industrie 4.0

Die Frage, ob uns die Arbeit ausgeht, bewegt viele und ebenso uns, den Sprecher*innenrat der BAG Grundeinkommen. Die rasante technologische Entwicklung, gepaart mit der erstarkenden Deutungshoheit und Gestaltungsmacht der Wirtschaft, erschweren eine einigermaßen sichere Prognose. Wir beobachten in den letzten Jahren und aktuell die Automatisierung in der Industrie und der Verlust von Erwerbsarbeitsplätzen durch die Digitalisierung in der Verwaltung, hören von der Industrie 4.0, und lesen von verlorenen Erwerbsarbeitsplätzen durch Firmenzusammenschlüsse.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Erwerbsarbeitsplätze wegfallen, ist groß, die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit ist begrüßenswert und wird von uns gefordert. Andere Formen von Arbeit und Engagement können die Lücke füllen, ebenso wären etwas mehr Muße und Ruhe vorstellbar oder ein individuell gewähltes Arrangement. Eine Hochrechnung über die demografische Entwicklung bis ins Jahr 2060 wage ich entgegen der Annahme im Ursprungstext nicht, weil sie wissenschaftlich nicht haltbar ist und rein spekulativ wäre.

Profiteure und Menschenbild

Wer lebt im großen Umfang auf Kosten anderer? Ich meine, das sind Spekulant*innen, Personen die von Zinserträgen leben, Menschen die ein großes Vermögen angesammelt haben, Firmen, die die Umwelt vergiften oder übermäßig stark die aus Steuergeldern finanzierte Infrastruktur nutzen. Oder als Gegenbeispiel: Wir alle profitieren von der Energie Anderer, von dem, was unsere Vorfahren geleistet haben, von der in Jahrhunderten gewachsenen Zivilisation, von all dem was wir nicht alleine machen oder selbst herstellen können.

Ich akzeptiere die im kritisierten Text getroffene Behauptung, dass Menschen nicht immer gut und edel sind. Das betrifft die Armen allerdings genauso wie die Reichen. Und ich hoffe, dass die erhöhte Existenzsicherheit und der größere Gestaltungsspielraum mehr von den guten Eigenschaften des Menschen wecken.

Unsere Gesellschaft hat Ideale wie die Menschenrechtskonvention und das Grundgesetz definiert, die das Leben und die menschenwürdige, freie Existenz und das Recht auf soziale Sicherheit garantieren. Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein großer Schritt hin zu diesen Idealen.

Die Umverteilung, besser gesagt Rückverteilung des Einkommens und langfristig der Vermögen, die durch das Modell der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen angestrebt wird, kann die Gesellschaft nachhaltig verändern. Hin zu freien Bürger*innen, die das eigene Leben gestalten und auf ganz individuelle Art ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung leisten. Und vielleicht sogar neue politische Mehrheiten schaffen.

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