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Politische Veränderungen in Iran nicht ohne Frauen

Nasrin Parsa über die vielen Vorläufer der jüngsten Frauenproteste in der Islamischen Republik

  • Nasrin Parsa
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist das Bild der jüngsten Protestwelle im Iran: Eine junge Frau steht in einer Straße im Zentrum von Teheran auf einer Plattform, unverschleiert und ohne den obligatorischen Mantel. Mit einem weißen Schal auf einem Stock winkt sie den Menschen. Die junge Frau wurde verhaftet. Sie heißt Vida Mowahed, ist 31 Jahre alt, verheiratet und Mutter eines einjährigen Kindes.

Landesweit gingen in der Folge junge Frauen (und auch Männer) mit farbigen Tüchern auf einem Stock auf die Straße. Es gibt Bilder von einer solchen Aktion vor dem »Revolutionsgericht« in Teheran und von Frauen, die unverschleiert vor großen Moscheen posieren.

Die sozialen Proteste zum Jahreswechsel wendeten sich gegen soziale Missstände, Korruption, unbezahlte Arbeit und leere Stadtkassen. Frauen fanden darin eine Gelegenheit, gegen Frauendiskriminierung auf die Straße zu gehen. Das Kopftuch ist Symbol der Unterdrückung in der islamischen Verfassung, in der Frauen zu Menschen zweiter Klasse erklärt werden. Dort heißt es, Frauen seien Eigentum ihrer Männer. Scheidung und Reiseerlaubnis der Frauen sind nur mit Zusage ihrer Ehemänner möglich. Das Sorgerecht für die Kinder ab fünf Jahren liegt nur beim Vater oder dessen Vater. Beim Erbrecht erhalten Frauen die Hälfte von männlichen Familienmitgliedern ...

Der Widerstand der iranischen Frauen in den letzten vier Jahrzehnten islamischer Regierung ist sehr groß. Im März 1979, einen Monat nach der Revolution, hatte Revolutionsführer Ayatollah Khomeini ein paar Tage vor dem Internationalen Frauentag den berufstätigen Frauen verboten, unverschleiert zur Arbeit gehen. Dagegen protestierten Zehntausend Frauen am 8. März. Gegendemonstranten - mit Messern und Stöcken bewaffnete Männer - stürmten die Demonstration, bedrängten Frauen mit sexuellen Angriffen und beschimpften sie als Huren. Demonstrantinnen wurden verhaftet, verletzt und verfolgt. Damals wurden auch die »Moralpolizistinnen« gegründet, schwarzverschleierte Frauen, die unzählige Demütigungen gegen »moderne« Frauen verübten. Ein Steinigungsgesetz kam in Kraft und Hunderte Frauen wurden als »Sünderinnen« gesteinigt.

Ende der 80er Jahre hat die Professorin und Psychoanalytikerin Homa Darabi aus Protest gegen Frauendiskriminierung ihr Kopftuch auf einer Teheraner Straße verbrannt, sich mit Benzin übergossen und angezündet. Sie starb kurz darauf an ihren Verletzungen. Sie war eine der Gründerinnen der Frauenorganisation Jebhe Melli (Nationale Front).

In der Regierungszeit des Reformers Mohamad Khatami von 1997 bis 2004 wurden die Schleier der iranischen Frauen immer bunter und offener. Aus Amerika haben Designer für iranische Frauen »islamische Mode« entworfen: lange bunte Kopfbedeckung, kurze Mäntel, Schuhe mit hohen Absätzen. Die Teheraner Straße wurden in den westlichen Medien so zur Botschaft der »modernen« iranischen Frauen. Farbe allein ist auch ein Widerstandssymbol gegen die Moralpolizistinnen. In den vergangenen Jahren wurden zwei Millionen Frauen deshalb verhaftet.

Nach den Präsidentschaftswahlen 2009 ist die den Reformisten nahestehende Journalistin Masih Alinejad geflüchtet und hat in New York den Internetfernsehsender »Tablet« gegründet. Sie rief Frauen auf, jeden Mittwoch mit einem weißen Kopftuch hinauszugehen und damit eine Zeichen mit dem obligatorischen Kopftuch zu setzen. Was allerdings starke Kritik nach sich gezogen hat: Die Frauen wollen kein Kopftuch, weder weiß noch bunt. Das ist der Punkt von der »Frau der Straße der Revolution«, Vida Mowahed. Sie hat das weiße Kopftuch auf den Stock gehängt und dagegen protestiert.

Die iranischen Frauen haben seit der Zeit ihrer Urgroßmütter für die Teilnahme an politischen Entscheidungen gekämpft. Von der konstitutionellen Revolution bis heute. Die politischen Änderungen im letzten Jahrhundert waren und sind in Iran ohne Frauen nicht denkbar.

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