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Üble Masche

Die Gewerkschaft NGG wirft der Restaurantkette Nordsee vor, die anstehenden Betriebsratswahlen zu behindern

Wundersame Vermehrung: Die Fastfoodkette Nordsee hat auf einen Schlag nicht mehr 18, sondern 220 leitende Angestellte. Was wie eine Beförderungswelle aussieht, ist aus Sicht der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ein riesiger Etikettenschwindel. Mit dem Ziel, erfahrene Betriebsräte loszuwerden. Denn viele der 200 Filialleiter, die nun mit dem höheren Status geführt werden sollen, sind zugleich gewählte Beschäftigtenvertreter. Und wer leitender Angestellter ist, darf laut dem Betriebsverfassungsgesetz kein Betriebsrat mehr sein.

Ende März sollen bei Nordsee neue Betriebsräte gewählt werden. Doch nun herrscht Unsicherheit in den Filialen. Mehr als die Hälfte aller Kandidaten ist betroffen. Die NGG sieht in der Maßnahme denn auch einen »eklatanten Angriff auf die gesetzlich geschützte Mitbestimmung«.

Dass Filialleiter Interessenvertreter der Beschäftigten sind, mag ungewöhnlich erscheinen, ist aber bei Nordsee seit Langem normal. Die Gewerkschaft lässt nichts auf sie kommen. »Seit 30 Jahren bin ich Betriebsrat, und das war nie ein Thema«, erklärt ein betroffener Filialleiter, der mit seinem Namen lieber nicht in der Zeitung auftauchen will. Im Dezember sollte er plötzlich eine Personalvollmacht unterschreiben, die ihn zum leitenden Angestellten gemacht hätte. Er fand das merkwürdig und weigerte sich - andere unterschrieben.

Abgesehen von der neuen Zuordnung sollte sich rein gar nichts ändern an den Stellen. Das nährte den Eindruck, dass die »Beförderung« vor allem die Betriebsratsarbeit behindern soll. Formal müssten leitende Angestellte über Einstellung und Kündigung von Personal in ihren Filialen frei entscheiden können. »In begrenztem Umfang habe ich natürlich Verantwortung für zehn bis 20 Leute«, sagt der Filialleiter. »Aber frei entscheiden kann ich auch mit der Personalvollmacht nicht.« Auch die Bezahlung bleibt gleich. Dabei müssten Leitende das Dreifache verdienen, sagt er. »Doch davon war nie die Rede.« Für die NGG steht fest, dass die Filialleiter rechtswidrig zu leitenden Angestellten deklariert werden.

Die Gewerkschaft vermutet aber noch einen weiteren Hintergrund für den Schachzug. Die Maßnahme richte sich ganz konkret gegen Personen, die zum Teil seit Jahrzehnten bei Nordsee arbeiten »und relativ gut verdienen«, erklärt Christoph Schink, NGG-Referatsleiter für den Bereich Gastgewerbe. Durch den Statuswechsel würden sie nicht nur ihr Amt als Betriebsrat verlieren, sondern zugleich den damit verbundenen Kündigungsschutz. Der Verdacht: Perspektivisch sollen sie aus dem Betrieb gedrängt und durch schlechter verdienende Neueinstellungen ersetzt werden. Davon ist auch der Nordsee-Angestellte überzeugt: »Das ist ein reines Sparprogramm.«

Seit einigen Jahren wird bei Nordsee an der Kostenschraube gedreht. Auch der Umgang mit Gewerkschaften und Betriebsräten habe sich deutlich verschlechtert, klagt NGG-Sekretär Schink. In der aktuellen Situation gebe es keinerlei Kommunikation mit der Geschäftsleitung. Schink führt das auf die Eigentümerstrukturen zurück. Mit Heiner Kamps und dem Molkereiunternehmen Theo Müller sind zwei Unternehmen an der Fischrestaurantkette beteiligt, mit denen die Gewerkschaft in der Vergangenheit »keine guten Erfahrungen« gemacht hat.

Der Filialleiter will trotz der unklaren Lage für den Betriebsrat kandidieren. Die NGG stärkt ihm den Rücken. »Wir ziehen die Wahlen durch«, sagt Schink. Letztlich müssen dann wohl die Arbeitsgerichte die Auseinandersetzung entscheiden. Sofern Nordsee die Wahl anficht. Vonseiten des Unternehmens war trotz mehrmaliger Nachfragen keine Stellungnahme zu erhalten.

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