Viktor Maximow
In memoriam
Selten ist es Journalisten im hektischen Tagesgeschäft vergönnt, über mehr als zwei Jahrzehnte einen Menschen zu begleiten. Viktor Maximow war da für uns eine Ausnahme. Immer wieder machten er und die von ihm initiierte Dresdner »Gesellschaft zur Hilfe von Kriegsveteranen in Russland« von sich reden. Immer wieder berichtete »nd« über Viktor und seine Freunde - über Hilfslieferungen aus Sachsen in den Ural im Millionenumfang, über Begegnungen zwischen Deutschen und Russen, Friedenskonferenzen, sein 2011 erschienenes Buch »Bekenntnisse eines alten russischen Soldaten« - und die eigentliche Mission des jetzt mit über 90 Jahren verstorbenen Mannes: Versöhnung.
Der Dresdner aus Jekaterinburg, Jahrgang 1926 und Ingenieur, hatte im Zweiten Weltkrieg seine Lektion gelernt. Schwer verwundet und Jahrzehnte physisch wie psychisch an den Folgen leidend, machte er es sich zur Lebensaufgabe, für den Frieden zu streiten. Und für seine ehemaligen Kameraden, denen es in russischen Kriegsveteranenhospitalen an Medikamenten, Verbandsmaterial und finanzieller Unterstützung fehlte. Es waren die traurigen und bitteren Erlebnisse in einer solchen Einrichtung in Jekaterinburg, in der Maximow fast fünf Jahre seines Lebens zugebracht hatte, die ihn 1991 nach Wünsdorf im fernen Deutschland führten. Mit der kühnen Idee, aus den Hinterlassenschaften der Sowjetarmee noch Brauchbares für russische Kriegsinvaliden »abzweigen« zu können. Die Aktion ging, obwohl vom heimischen Vizeverteidigungsminister unterstützt, daneben - dafür fand Viktor aber Freunde in Dresden, die sein Anliegen zu ihrem machten.
Über die Jahre gingen dank ihrer Initiative und Kreativität unzählige Eisenbahncontainer und Lastzüge aus Sachsen auf die Reise gen Osten. Und als die materiellen Hilfen ob höherer politischer Ambitionen von noch höherer Stelle nicht mehr gefragt waren, konzentrierte sich die Gesellschaft an der Elbe auf Begegnungen zwischen den letzten lebenden Vertretern der einst verfeindeten Länder und ihren Nachkommen. Für Maximow gehörte dazu, dass Gräber deutscher Soldaten in der Ex-UdSSR gepflegt werden. »Jeder Krieg ist eine Tragödie für alle. Gelitten haben die russischen wie die deutschen Soldaten«, sagte er gegenüber »nd«. Und zeigte stolz Bilder von einem Gedenkstein für gefallene Deutsche in der Nähe seiner Heimatstadt im Ural, für den er lange bei heimischen Behörden und deutschen Sponsoren geworben hatte. Dass dort nach verständlicher Skepsis der Opfer faschistischer Aggression eines Tages doch ein Kranz lag, hat den alten Mann sehr froh gemacht. Wie auch die Tatsache, dass er Tausende Kilometer entfernt auf seine alten Tage in einem Land, das sich auch nach 70 Jahren nicht durchgängig durchringen kann, den 8. Mai als Tag der Befreiung zu begehen, aufrichtige Freunde gefunden hat. Gabriele Oertel
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