Von den Winterspielen zur Olympiade
Oliver Kern berichtet für »nd« zum vierten Mal von Olympischen Spielen. In Pyeongchang geht es neben dem Sport auch viel um Politik, Krieg und Frieden. Auf der Spurensuche hilft dabei seine Vergangenheit als DDR-Bürger
Ich habe schon lange nicht mehr an Kim Jong Un gedacht. Pjöngjangs Machthaber hatte ja den Beginn der Spiele bestimmt: Nur auf seinen Wink hin waren die Teilnahme der Nordkoreaner, der gemeinsame Einlauf von Nord und Süd und der Zusammenschluss der Eishockeyspielerinnen möglich. Ein diplomatischer Coup, der Kim als den großen Gönner dastehen ließ und Südkoreas Präsident Moon Jae in der Kritik aussetzte, nur dessen Marionette zu sein. Zwei Wochen später muss man wohl auch Moon in einem anderen Licht sehen. Sein wichtigstes Ziel waren geräuschlose und friedliche Spiele. Das hat er erreicht. Hier dachte niemand in diesen Tagen an einen Nu-kleartest oder gar einen Angriff des Nordens. Bleibt die Frage, ob die Annäherungen nach Olympia wieder den Provokationen weichen werden?
Südkoreaner danach zu fragen, ist nicht einfach. Ohnehin sind sie nicht sehr auskunftsfreudig, wenn es um Politik geht. Und offenbar kommt noch ein inoffizieller Maulkorb für olympische Mitarbeiter dazu. »Das IOC hat uns empfohlen, lieber nicht über Politik zu sprechen«, sagt Jeong Chunghwi, ein Freiwilliger im Mediendorf. Er ist bestimmt der zehnte Koreaner, den ich gefragt habe.
Zum Glück hilft es manchmal, selbst in einem geteilten Land geboren worden zu sein. Einen ehemaligen DDR-Bürger scheinen sie hier mit einem armen Nordkoreaner gleichzusetzen - und das beeindruckt Jeong und eine seiner Kolleginnen derart, dass sie schließlich doch mit mir reden. Dass ich beim Mauerfall erst elf war, müssen sie ja nicht wissen. Jeong ist sich jedenfalls sicher, dass Olympia einen bleibenden Effekt haben wird: »Kim Jong Uns Schwester war hier, und Präsident Moon soll bald zu Gesprächen in den Norden reisen. Das ist doch schon mehr, als wir vorher hatten, als niemand miteinander gesprochen hat.« Kollegin Jung Katie ist weniger hoffnungsvoll. »Ich denke, das war alles nur Show. Wirklich geändert hat sich doch nichts«, sagt sie.
Die beiden gehören zur jungen Generation, der nachgesagt wird, sie wolle keine Wiedervereinigung mehr. Doch so einig sind sich die beiden nicht. Jeong hat gerade seinen Militärdienst hinter sich. »Als Kim seine Nukleartests ausweitete, mussten wir die Übungen ändern. Alles wurde plötzlich sehr angespannt. Ich will die Vereinigung, damit das alles endlich aufhört«, sagt er. Jung Katie hält dagegen, da ein Zusammenschluss für Südkorea zu teuer wäre: »Kim will doch schon viele Millionen Dollar dafür, dass er Moon überhaupt empfängt. Bisher mag ich unseren Präsidenten, aber darauf sollte er nicht eingehen.«
In einem sind sich beide einig: Die gegenseitigen Provokationen müssen aufhören. Dauerhafter Frieden sei doch der Wunsch aller Koreaner. Es wäre wirklich mal eine willkommene Abwechslung, wenn der Olympische Friede länger andauert als nur drei Wochen. Wie wäre es mit einer Olympiade? Die dauert bekanntlich vier Jahre.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.