Ein Spartakist

Jörn Schütrumpf edierte Reden und Schriften von Paul Levi

  • Reiner Tosstorff
  • Lesedauer: 4 Min.

Zwei Jahre nach Eröffnung der durch Jörn Schütrumpf vorbildlich besorgten Werkausgabe von Paul Levi mit Band zwei liegt nun deren erster Band vor. Diese zunächst etwas verwirrende Nummerierung ergibt sich aus der Chronologie des Inhalts, der abgedruckten Schriften, Reden und Briefe. Band zwei betraf die Jahre 1923 bis 1930. Der noch voluminöser ausgefallene, ebenfalls in zwei Teilen vorgelegte Band eins umfasst die Zeit von Levis Doktorarbeit 1905, mit der der 21-Jährige sein Jurastudium abschloss, bis zum Juli 1920. Da hatte er schon über ein Jahr die Position ausgeübt, für die er am bekanntesten wurde: die des Führers der um die Jahreswende 1918/19 gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands nach der Ermordung von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Leo Jogiches. Seine Anwaltstätigkeit hatte er 1909 in Frankfurt am Main aufgenommen, das Zentrum des liberalen jüdischen Bürgertums im Kaiserreich. Levi, Sohn eines Textilhändlers, hätte zweifellos eine große Karriere in der Wirtschaft starten können. Doch er trat der SPD bei und gehörte bald zum linken Flügel.

Jörn Schütrumpf (Hg.): Paul Levi. Ohne einen Tropfen Lakaienblut. Schriften, Reden, Briefe. Band I/1 u. 2: Spartakus.
Karl Dietz Verlag, 1921 S., je Bd. 49,90 €, zusammen 99,80 €.

Deutschlandweit bekannt wurde er 1914 als Rosa Luxemburgs Verteidiger. Sie stand wegen einer Antikriegsrede in Frankfurt wegen Hochverrats vor Gericht. Diese politische Zusammenarbeit, aus der auch eine zeitweilige persönliche Beziehung wurde, sollte ihn auf Dauer prägen. Er wurde ihr politischer Schüler, ohne dass er dafür allerdings immer den passenden Rahmen, den wirkungsmächtigen Resonanzboden, finden konnte.

Als entschiedener Antimilitarist von Beginn des Weltkriegs an war er Mitbegründer der Spartakusgruppe und hatte zudem nach kurzer Soldatenzeit, die er als Teilnehmer besonders blutiger Kämpfe zwar physisch heil überstand, die ihm aber psychisch sehr zusetzte, bei einem Kuraufenthalt in der Schweiz Kontakte zu den dort im Exil befindlichen Bolschewiki knüpfen können.

In der Folgezeit bewegte er sich in einem durch Luxemburg wie Lenin bestimmten Rahmen und war nach der Novemberrevolution an der Bildung der KPD beteiligt. So fiel ihm fast automatisch im Frühjahr 1919 nach der Enthauptung der Partei die Führungsposition zu. Diese Rolle hatte er nicht gesucht. Sie war mehr Verpflichtung in einer Situation, in der es dazu keine Alternativen gab, und er musste sie in einer Partei ausfüllen, die in ihrer Unerfahrenheit noch ganz vom Radikalismus der Neugründung beherrscht war und die zugleich angesichts der aufmarschierenden Freikorps in einer Art kleinem Bürgerkrieg um ihr Überleben kämpfte.

Dies führte zu einer Spaltung der Partei und hinterließ auch Spuren von bleibenden Verletzungen unter den in der KPD verbliebenen Führungsmitgliedern. In dem ausführlichen Vorwort des Herausgebers finden sich dazu einige Zitate, die zeigen, dass seine Kontrahenten, die, nach langen Auseinandersetzungen, schließlich die von ihm geforderte politische Orientierung auf Massenarbeit annahmen, dennoch das persönliche Zerwürfnis niemals überwanden. Doch dieser Band endet im Sommer 1920, als sich Levi nach Moskau zum zweiten Kongress der Kommunistischen Internationale aufmachte. Dort wurde die Grundlage dafür gelegt, dass sich im Herbst desselben Jahres die KPD mit der Mehrheit der viel stärkeren USPD zusammenschließen konnte und dadurch erst eine revolutionäre Massenpartei geschaffen wurde. Damit schien für Levi die Erwartungen aus der Novemberrevolution in Erfüllung zu gehen und sich das politische Erbe Rosa Luxemburgs zu erfüllen. Doch innerhalb weniger Monate, aber das ist dann Gegenstand zukünftiger Teile, sollte sich das zerschlagen.

Die chronologisch geordnete Ausgabe enthält insbesondere zu den frühen Jahren viel Material aus seinem Nachlass, vor allem Briefe an Verwandte und Manuskripte. Erst am Vorabend des Weltkriegs setzt auch die Überlieferung von Zeitungsartikeln von und über ihn ein. Im Weltkrieg wird er dann Mitarbeiter der »Spartacus«-Briefe und ab Ende 1918 ständiger Autor des neuen kommunistischen Zentralorgans, der »Roten Fahne«.

All das ist hier umfassend veröffentlicht und findet noch Ergänzung durch einen Anhang von Spitzelberichten über die KPD. Im Vorwort umreißt der Herausgeber die wesentlichen Aktivitäten Levis in jenen Jahren und führt auch in den Streit um die Deutung seines Wirkens ein. Alle Texte sind mit ausführlichen Erläuterungen versehen. Rundherum also eine wichtige Quellensammlung zum Verständnis der Hintergründe in diesem Erinnerungsjahr zum 100. Jahrestag der Novemberrevolution.

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