Gegenständlich, abstrakt, bisweilen heiter

Die Galerie der Berliner Graphikpresse zeigt »Künstlerplakate aus der DDR«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie ist wie ein Streifzug durch die Kunstgeschichte der DDR, die aktuelle Schau in der Galerie der Berliner Graphikpresse. Künstlerplakate aus einer untergegangenen Republik zeigt sie, nicht die übergroßen für Litfaßsäulen, sondern jene, die von den Künstlern selbst gestaltet wurden, wenn sie in einer der zahllosen Galerien ausstellen durften. Insofern ist die Schau Erinnerung in zweifacher Hinsicht: an Künstler, viele nicht mehr unter uns, und an Galerien, die ebenfalls das Zeitliche gesegnet haben. An Galerien allein in Berlin hat es derzeit keinen Mangel; an jenen, die noch aus DDR-Zeiten herüberragen, allerdings schon. Von 1972 bis 1989 stammen die 38 Exponate, und sie stehen auch als »Who is Who« der künstlerischen Tätigkeiten zwischen Rostock und Suhl.

Empfangen wird man in der mittlerweile durch Ankauf größeren Galerie unter Sabine Ulbers umsichtiger Leitung mit einem Werk des 1998 in Chemnitz gestorbenen Schriftgrafikers Carlfriedrich Claus. Seinem Siebdruck »Erkenntnis« entwächst einem Band von Schriftzeichen eine Schlange: Erkenntnis gebiert neue Fragen, dies eine mögliche Deutung. Trauernd verschmelzen daneben in Michael Morgners Lithografie »Tod und Kauernder«, auf eine Krücke gelehnt, die gekrümmten Gestalten. Entstanden war das Plakat, wie viele weitere auch, für eine Ausstellung in Plauen. An eine bewährte Institution erinnert Max Uhligs Litho »Kopf«: den Berliner Grafikmarkt, hier die 11. Ausgabe, im Klub der Kulturschaffenden. Aus einem Aufschwung schwarzer Striche schält sich jener Kopf, düster beinah und mit hohlen Augen.

Mit Gerhard Altenbourgs »Das leere Blau vor der Insel«, einer Farbrepro nach einem Holzschnitt, wird es zumindest farblich fröhlicher, obgleich auch spitzfindiger in der Interpretation. Mit dieser Arbeit wurde eine Ausstellung in Glauchau angekündigt. Eine eindrückliche abstrakte Formation von Willy Wolff, dem 80-jährig verstorbenen Dresdner Meisterschüler von Otto Dix, warb dann für eine Schau in Rostock. Die beiden aneinander sich abdrückenden Krümmformen bestechen durch ihre Spannung und demonstrieren auch, wie groß der künstlerische Spielraum trotz aller staatlichen Vorgaben war. Claus Weidensdorfers Farblitho »Dame mit Ohrring« scheint mit ihrem dunklen Timbre und der reliefartigen Struktur von der Kunst südamerikanischer Kulturen inspiriert.

Als feines Rundgespinst in einem Quadrat hat Walter Herzogs Radierung »Waldgespenst« einst auf die Ausstellung »Hommage in der Kunst der DDR« in der Nationalgalerie hingewiesen. Überaus fein modelliert ist auch Uwe Pfeifers »Pan« für die 112. Ausstellung der Galerie 75 in Plauen. Ursprünglich hat der Hallenser den hockenden, hingebungsvoll die Flöte spielenden Gott auf einer Alufolie aufgebracht. Er lehnt ihn an ein Gitter und einen Abfallkübel aus Beton.

Zwei Arbeiten erinnern an den erst unlängst verstorbenen Hans Vent, für eine Galerie in Neubrandenburg eine lebendige Farboffsetlitho, für eine andere Unter den Linden eine schwarz gerandete Gelbstudie aus wunderbar komponierten, verschwebenden Körpern. Harald Metzkes drei Holzschnitte für Galerien in Bautzen, Berlin und Dresden bezeugen die Popularität des Künstlers und zudem seine Vielseitigkeit: ob im heiteren Durcheinander des Malers im Garten, dem fast hörbaren Ton eines Orchesters in seiner Wanne oder einer pastelltönig flirrenden Zirkusszene.

Weithin kommt Humor in der Plakatausstellung nicht zu kurz. Dafür steht Herta Günthers Farboffsetlitho »Der leere Platz« für die verschwundene Galerie Sophienstraße. Ob die in Rückansicht dargestellte Person auf dem Stuhl saß und aus dem Glas getrunken hat, bleibt offen. Derber hält es da Manfred Bofinger mit karikaturistischem Schwung. Seinem »Ritter« etwa ragt das Schwert gewaltig aus dem Wams; die Nackte, deren BH er triumphierend schwenkt, ist ganz klein auf der Flucht. Und auch Lothar Sells Holzschnitt zu Hans Falladas Kinderbuch »Geschichte vom verkehrten Tag« türmt für Plauen mit leichter Hand in einer Suppenschüssel über einem Haus tollende Kinder, überquellende Bäume, rücklings sich wälzende Ferkel.

Schwerer geben sich da Nuria Quevedos Offsetdruck »Maler und Modell« mit fast gebieterischer Geste, verweisend wiederum auf einen Grafikmarkt; Dieter Goltzsches Farboffsetlitho »Arzt und Patient«, die umrissartig einen Glatzkopf mit Krücke fixiert; Arno Mohrs würdige Offsetlitho »Willibald Pirckheimer«; mehr noch Volker Pfüller, dessen Farb-Offset-Litho Johannes R. Becher als Leidenden mit scharfem Blick durch seine Brille zeigt.

»Künstlerplakate der DDR«, bis zum 13. April in der Galerie der Berliner Graphikpresse, Silvio-Meier-Str. 6, Friedrichshain

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