- Wirtschaft und Umwelt
- Misstände in der Massentierhaltung
MDR durfte Bilder aus Biostall nutzen
MDR gewinnt vor dem Bundesgerichtshof / Richter: Interesse an den Zuständen der Tierhaltung höher zu bewerten als Ruf des Betriebes
Verletzte und tote Hühner, die fast keine Federn mehr haben. Mit diesen Bildern hatte der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) im September 2012 über Missstände in Hühnerställen aufgeklärt. Doch ging es in dem Fernsehbeitrag nicht um Bilder, wie sie aus konventionellen Massenställen bekannt sind, sondern um die Frage: Wie billig kann Bio sein? Denn auch in diesem Bereich sind inzwischen Großeinheiten und Betriebe mit bis zu 30 000 Tieren erlaubt, was vermehrt zu Kritik wegen nicht artgerechter Haltungsbedingungen führt.
Der Erzeugerzusammenschluss Fürstenhof GmbH aus Mecklenburg-Vorpommern, in dessen Ställen die Bilder heimlich von einem Tierschützer aufgenommen worden waren, sah sich jedoch zu unrecht in einen Topf mit der Massentierhaltung geworfen und klagte auf Unterlassung. Das Unternehmerpersönlichkeitsrecht und das Recht an der Ausübung des Gewerbebetriebs würden damit verletzt. Die Tierhaltung verstoße nicht gegen geltendes Recht. Hamburger Gerichte waren dieser Auffassung in zwei Instanzen gefolgt, weil die Aufnahmen keine strafbaren Missstände gezeigt hätten und durch unbefugtes Eindringen entstanden waren. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am Dienstag dagegen im Sinne der Pressefreiheit.
Demnach dürfen heimlich aufgenommene Filmaufnahmen über Missstände in Biohühnerställen in einem kritischen TV-Beitrag zur Massentierhaltung gezeigt werden, wie der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe urteilte. Hier sei die Pressefreiheit und das öffentliche Interesse an den Zuständen der Tierhaltung höher zu bewerten, als das Ansehen und der Ruf des Hühnerstallbetreibers. (AZ: VI ZR 396/16) Der BGH verwies auf die Rolle der Medien als »Wachhund der Öffentlichkeit«. Zwar könne die Ausstrahlung den Ruf und das Ansehen des Hühnerstallbetreibers beeinträchtigen. Auch werde das Interesse des Klägers berührt, seine »innerbetriebliche Sphäre vor der Öffentlichkeit geheim zu halten«. Dennoch sei die MDR-Veröffentlichung rechtmäßig.
In der Begründung hieß es, der Sender habe sich an den rechtswidrig erstellten Filmaufnahmen nicht beteiligt. Zudem würden keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbart. Vielmehr werde die Art der Hühnerhaltung dokumentiert und der Zuschauer darüber zutreffend informiert. »Die Filmberichterstattung setzt sich unter den Gesichtspunkten der Verbraucherinformation und der Tierhaltung kritisch mit der Massenproduktion von Bioerzeugnissen auseinander und zeigt die Diskrepanz zwischen den nach Vorstellung vieler Verbraucher gegebenen, von Erzeugern oder Erzeugerzusammenschlüssen wie der Klägerin herausgestellten hohen ethischen Produktionsstandards einerseits und den tatsächlichen Produktionsumständen andererseits auf«, teilten die Richter mit. Der BGH betonte, es gehöre zur Aufgabe der Presse, sich mit diesen Gesichtspunkten zu befassen und die Öffentlichkeit zu informieren. Ihre Funktion sei nicht auf die Aufdeckung von Straftaten oder Rechtsbrüchen beschränkt.
Der MDR begrüßte das Urteil. »Das ist ein guter Tag für die Pressefreiheit und eine Stärkung der investigativen Recherche«, erklärte MDR-Programmdirektor Wolf-Dieter Jacobi in Leipzig. Der Sender habe die Auseinandersetzung bewusst bis in die höchste Instanz getragen, um Journalisten die »dringend benötige Rechtssicherheit« zu verschaffen, wenn sie über offenkundige Missstände berichteten.
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