Triumph des Kriegsrechts

Wolfgang Hübner über den Raketenangriff westlicher Staaten auf Syrien

Was Donald Trump wie ein Schulhofrowdy auf Twitter angekündigt hatte, ist nun geschehen: Die USA haben, unterstützt von den getreuesten Mitläufern in London und Paris, mit einem Raketenangriff Syrien überfallen. Drei Staaten nehmen sich heraus, einen vierten zu bombardieren - das ist natürlich nichts anderes als ein massiver Bruch des Völkerrechts. Vielleicht ist es im Zuge des jahrelangen Propagandakriegs in und um Syrien in Vergessenheit geraten: Egal, wie man zum Präsidenten Assad steht – Syrien ist noch immer ein souveräner Staat und kein Abenteuerspielplatz für politische und religiöse Fanatiker aus aller Welt.

Dieser Angriff, auch wenn die dabei verursachten Schäden gering sind, ist eine politische Katastrophe. Er bringt das gebeutelte Kriegsland dem Frieden keinen Millimeter näher und erschwert die ohnehin komplizierten dilomatischen Beruhigungsversuche erheblich. Wenn es den Angreifern tatsächlich um den Giftgaseinsatz in Duma gegangen wäre, hätten sie noch ein paar Tage abgewartet. So lange nämlich, bis die internationalen Kontrolleure der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen vor Ort ihre Arbeit getan und das Ergebnis ihrer Untersuchung vorgestellt haben. Dass der Überfall für den Vorabend dieser Untersuchungen befohlen wurde, signalisiert jedenfalls kein Interesse an der Arbeit der Kontrolleure. Es zeigt: Der Schuldige steht längst fest.

Dass Angela Merkel diesen von einem politischen Irrläufer im Weißen Haus angestifteten Wahnsinn auch noch als »erforderlich und angemessen« bezeichnete, macht deutlich, wie wenig noch politische Venunft im Syrien-Konflikt eine Rolle spielt. Mehr noch: Das Bekenntnis der Bundeskanzlerin, sie unterstütze es, dass Washington, London und Paris auf solch rabiate Weise »Verantwortung übernommen« hätten, hat mit rationalem Herangehen nichts mehr zu tun. Ebenso wenig Merkels Wortwahl. Sie ist die geschmacklose Bemäntelung der Tatsache, dass man bei der Suche nach einer Lösung für den Syrien-Konflikt nun endgültig vom Völker- zum Kriegsrecht übergegangen ist. Denn die so genannten Präzisionsschläge (wie der Raketenüberfall in manchen Medien euphemistisch bezeichnet wurde) schlagen vor allem an einer Stelle präzise ein: im Kern des Völkerrechts.

Damit ist der nächtliche Angriff nur die logische Fortsetzung des seit Jahren andauernden internationalen Gemetzels auf syrischem Boden. Dort geht es längst nicht mehr nur um einen Kampf zwischen syrischer Regierung und Opposition, zwischen der Assad-Armee und allerhand islamistischen Terroristen. Syrien ist längst zum Schlachtfeld einer gobalen Auseinandersetzung zwischen zahlreichen Groß- und Mittelmächten geworden. Die USA, Frankreich, Großbritannien, Russland, Iran, Israel, die Türkei und andere mischen mit und versuchen ihre Claims abzustecken. Dass die Türkei im Norden Syriens ihren eigenen Krieg gegen die Kurden und für die Ausweitung der türkischen Einflusszone führt und dabei natürlich auch gegen die Bevölkerung vorgeht, stört so gut wie niemanden, auch Russland hat sich damit arrangiert.

Um das syrische Volk geht es zu allerletzt, und wie eine Nachkriegsordnung aussehen könnte, weiß kein Mensch. Klar ist nur: Wann immer sie kommt, sie wird von diversen politischen und wirtschaftlichen Machtansprüchen diktiert sein, die nichts mit den Interessen das syrischen Volkes zu tun haben. Dieses ist schon jetzt der große Verlierer und wird es bleiben.

Frankreich hat den Raketenangriff als rechtmäßig bezeichnet. Welches Recht soll einer solchen willkürlichen Kriegshandung zugrunde liegen? Die französische Verfassung? Die UN-Charta? Wenn überhaupt, dann ist es das nackte, brutale Kriegsrecht.

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