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Bemerkenswerte Einheit

Peter Nowak über den gemeinsamen Amazon-Protest von Linken und Gewerkschaften

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.

Nicht nur Hunderte Amazon-Beschäftigte gaben ihrem Firmenchef Jeff Bezos diese Woche in Berlin ein klares Feedback. Während diesem im Springer-Hochhaus ein Preis für »besonders innovatives Unternehmertum« verliehen wurde, protestierten sie gegen Lohndumping, Überwachung am Arbeitsplatz und Steuerflucht. Unübersehbar waren dabei auch die Transparente des linken Bündnisses »Make Amazon Pay«, das die Beschäftigten des Onlinehändlers in ihrem Kampf unterstützt und erstmals vergangenen November rund um den Schnäppchentag »Black Friday« öffentlich in Erscheinung trat.

Dass Linke und Gewerkschaften nun gemeinsam vor dem Springerhaus protestierten, ist eine neue Qualität und Ergebnis eines Lernprozesses auf beiden Seiten. In der Regel bleiben DGB-Gewerkschaften auf Distanz zu Unterstützern aus der außerparlamentarischen Linken, die wiederum großen Wert auf Abstand vor allem zu den Spitzen der Gewerkschaften legen. Der Vorwurf: Diese würden mit ihrer sozialpartnerschaftlichen Linie die Beschäftigten in den Staat integrieren. Es ist daher bemerkenswert, wenn der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske in Berlin unter dem zustimmenden Applaus der linken Aktivisten das breite Bündnis der Amazon-Solidarität würdigt.

Diese Kooperation war nur möglich, weil es bereits seit fünf Jahren eine linke Amazon-Solidarität gibt. Vor allem an den Standorten Leipzig und Bad Hersfeld entstanden enge Beziehungen zwischen Beschäftigten, die sich im Arbeitskampf engagieren, und ihren linken Unterstützern. Schon vor drei Jahren haben sie zudem Kontakte zu den Beschäftigten in Poznań hergestellt. Mittlerweile ist die deutsch-polnische Kooperation selbstverständlich. Dabei sind die polnischen Kollegen in einer anarchosyndikalistischen Basisgewerkschaft organisiert, die nicht zu den Kooperationspartnern von ver.di gehört. Am Dienstag war die Delegation aus Poznań mit ihrem Gewerkschaftssymbol, der schwarzen Katze, nicht zu übersehen.

Doch ganz reibungslos verlief auch dieser Protest nicht. So sorgte es kurzzeitig für Unmut, als ein ver.di-Koordinator die Rede eines anarchistischen Kollegen aus Poznań nach wenigen Sätzen abmoderieren wollte. Noch lauter wurde es im Block der linken Unterstützer, als die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles eine Grußadresse verlesen wollte. Der ver.di-Vorstand hatte sie ohne Wissen der Bündnispartner auf die Redeliste gesetzt. Doch auch ein Großteil der Amazon-Beschäftigten wollte die SPD-Politikerin nicht verteidigen.

Dennoch bewies die Aktion am Springer-Hochhaus, dass eine echte Kooperation zwischen Gewerkschaft und außerparlamentarischer Linke möglich ist, bei der auch Differenzen angesprochen werden können. Solche Bündnisse sollten nicht nur im Kampf gegen das »Modell Amazon« Schule machen.

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