Mietpreisbremse bremst nicht

Wohnungssuchende in Hamburg müssen aktuell mit 13,24 Euro pro Quadratmeter rechnen

  • Volker Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Diese großartige Synthese einer Stadt aus ›Atlantic‹ und Alster, aus Buddenbrooks und Bebel, aus Leben und Lebenlassen. Ich liebe diese Stadt mit ihren kaum verhüllten Anglizismen in Form und Gebärden, mit ihrem zeremoniellen Traditionsstolz, ihrem kaufmännischen Pragmatismus und ihrer zugleich liebenswerten Provinzialität«, lobpreiste der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt dereinst seine Heimatstadt.

Bis heute übt Hamburg einen Sog auf viele Menschen aus. Doch die ungebrochene Attraktivität der Stadt hat ihren Preis. Die Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt steigen weiter, allein in diesem Jahr um durchschnittlich 4,4 Prozent; im sogenannten Speckgürtel der Hansestadt sogar um 7,6 Prozent. Besonders begehrt scheint das Wohnen im Landkreis Pinneberg zu sein, wo die Angebotsmieten um satte 11,4 Prozent in die Höhe schossen. Die Zahlen, die auf der Auswertung von Anzeigen in Tageszeitungen und auf Immobilienportalen basieren, präsentierten Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Ohmoor in den Räumen des Mietervereins zu Hamburg. Die Studie des Geografie-Kurses im 2. Semester der Studienstufe hat eine lange Tradition - sie wird seit 32 Jahren erstellt, was langzeitige Vergleiche ermöglicht.

Wohnungssuchende müssen in Hamburg aktuell mit 13,24 Euro pro Quadratmeter rechnen (2017: 12,68 Euro). Binnen zehn Jahren ist ein dramatischer Anstieg zu verzeichnen: Die Neuvermietungsmieten haben sich um rund 31 Prozent von 10,10 Euro (2009) auf 13,24 Euro erhöht. Sie sind fast dreimal so stark gestiegen wie die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Die seit Juli 2015 geltende Mietpreisbremse zeige keine Wirkung, kritisierte Mietervereinsvorsitzender Siegmund Chychla: »Obwohl die Neuvertragsmiete höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf, zeigt die Studie, dass sie aktuell fast 60 Prozent über dem Durchschnittswert von 8,44 Euro des Hamburger Mietenspiegels liegt.« Ohne den vom Senat forcierten Wohnungsbau mit jährlich rund 10 500 erteilten Baugenehmigungen wäre die Lage noch dramatischer. »Die Politik muss endlich dafür Sorge tragen, dass der Mietenanstieg gedeckelt wird«, fordert Chychla. Dem widersprach Ulf Schelenz, Geschäftsführer des Grundeigentümerverbands Hamburg: »Die Steigerung ist gegenüber den Vorjahren moderat. Da ist was passiert. Das heißt: Die Mietpreisbremse wirkt.«

Nun ja, zumindest nicht in der Altstadt, die mit 29,6 Prozent den höchsten Mietenanstieg zu verzeichnen hat, sowie in den Stadtteilen Allermöhe (plus 26,9), St. Pauli (plus 24,9), Steilshoop (plus 24,7) und Rothenburgsort (plus 22,3). »Bald kann man nicht mehr nach St. Pauli ziehen, Wohnen ist dort zum Luxus geworden«, kommentierte Studienleiter Carl-Jürgen Bautsch die Entwicklung in dem Szenestadtteil, wo Vermieter durchschnittlich 17,65 Euro pro Quadratmeter verlangen. Doch das Leben ist nicht nur in zentralen Gegenden der Hansestadt teuer, sondern mittlerweile auch in früher wenig begehrten Randlagen wie Billstedt, wo das durchschnittlich verfügbare Jahreseinkommen nur 23 000 Euro beträgt. 2008 lag die Quadratmeter-Miete dort noch bei 7,50 Euro, heute sind es schon 11,30 Euro. »Wegen des knappen Angebots ziehen jetzt viele Außenbereiche bei der Preisentwicklung nach«, analysierte Chychla.

Alarmierend ist die Entwicklung der Mieten auch in den Umlandgemeinden. Am teuersten ist das Wohnen mittlerweile im Landkreis Pinneberg, wo der Quadratmeter 9,82 Euro kostet (plus 11,4 Prozent). Es folgen Storman (9,73 Euro), Segeberg (9,58 Euro; Steigerung: 11,7 Prozent!) und Winsen (9,15). Vergleichsweise günstig wohnen die Stader (8,42 Euro) und Lauenburger (8,13) Euro.

Weitere Infos: www.ohmoor.de

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -